Der digitale Wandel verändert das Angebot der Öffentlichen Bibliotheken gegenwärtig umfassend. Auch das Berufsbild in den Bibliotheken und das Selbstverständnis der Einrichtungen wandelt sich. Von jeher sind sie weit mehr als Ausleihstationen für Bücher, selbst wenn die allgemeine Wahrnehmung sie oftmals darauf reduziert. Sie sind wichtige soziale Orte und bieten neben Gemeinschaft auch Teilhabe an (geprüften) Informationen, Wissen, Kultur, gesellschaftlichem Diskurs und technologischen Innovationen. Games, Konsolen, Filme, Musik oder Hörbücher findet man ebenso in den öffentlichen Bibliotheken wie zunehmend freies WLAN und in manchen Bibliotheken Musikinstrumente, Makerspaces oder Roboter.
Außerdem sind Öffentliche Bibliotheken oftmals einer der letzen nicht-kommerziell genutzten Orte in einer Stadt. Sie werden neben Arbeitsplatz (oder Schule) und Zuhause zum Dritten Ort.
„Der Mensch steht im Mittelpunkt.“
Der Mensch und die Vermittlung von Inhalten stehen im Mittelpunkt, sagte Dr. Hannelore Vogt, Leiterin der Stadtbibliothek Köln, beim Festakt zum 125-jährigen Jubiläum der Kultureinrichtung. Beides, der Mensch und die Vermittlung von Inhalten, steht auch im Mittelpunkt eines jeweils zweijährigen Qualifizierungsprogramms für Öffentliche Bibliotheken in NRW, das ich als Coachin und Reiseleiterin mitkonzipieren und begleiten durfte.
Im vorbildlichen Programm der Fachstelle für Öffentliche Bibliotheken NRW, Lernort Bibliothek, geht es seit 2009 um die Förderung von Bibliotheksangeboten. Die Bibliothek der Zukunft wird in der Gegenwart gestaltet. Diese Bibliothek der Zukunft entsteht nicht aus dem Nichts, sondern sie geht aus der entschlossenen Arbeit von Menschen hervor – und aus ihren Visionen.
Im Unterschied zu vielen Kultureinrichtungen und Unternehmen werden in den Öffentlichen Bibliotheken digitale Themen ganz klar als Leitungsthemen identifiziert: Von der technischen Infrastruktur bis zur Klärung von Personalressourcen müssen strategische Entscheidungen getroffen und durchgesetzt werden. Die Bibliotheken haben gleich mehrere Vorteile: Sie stehen im Alltag in direktem Kontakt mit ihren Kunden. Sie kennen also ihre Pappenheimer. Sie haben einen Ort, an dem Veranstaltungen problemlos stattfinden können. Und sie sind Hüterinnen einer großen, oft aber ungehobenen Schatzkiste von Geschichten, Informationen und Ereignissen.
„Die Zukunft ist schon da, sie ist nur ungerecht verteilt!“
Wie so oft beschreibt dieses Zitat von SciFi-Autor William Gibson den Zustand recht gut: „Die Zukunft ist schon da, sie ist nur ungerecht verteilt!“ Es gibt Bibliotheken, die sich Digitalien mit Vergnügen und immer neuen Ideen zu eigen machen und mit dem Ort Bibliothek und den Menschen dort verbinden. Für andere war und ist der Weg nach Digitalien aus unterschiedlichen Gründen steiniger.
Manchmal sind es die Kommunen, die die Nutzung von Social Media untersagen oder sich mit digitalen Themen schwertun. Manchmal stehen Umbauten oder Umzüge an, die alle in Atem halten. Für alle gilt, dass sie auf die veränderten Kommunikations- und Nutzungsgewohnheiten ihrer Kunden reagieren müssen. Oder besser noch: Agieren statt nur Reagieren. Das bedeutet, sich mit dem digitalen Wandel akitv auseinanderzusetzen, Trends und Diskussionen zu verfolgen, eigene Themen zu setzen, neue Technologien und Anwendungen auszuprobieren und den Austausch mit anderen zu suchen.
Identität, Ideen und Inhalte
Um auch im digtialen Raum souverän agieren zu können, braucht man allerdings Erfahrung und Überblick. Man benötigt ein gutes Selbst-Bewusstsein, eine gute Kenntnis um die eigene Identität.Die Bibliothek als (Marken-)Persönlichkeit? O ja! Wie möchte eine Bibliothek wahrgenommen werden? Welche Wirkung erhofft sie sich? Dazu gehört das Wissen um die Gewohnheiten und Bedürfnisse des Zielpublikums ebenso wie das Wissen um die eigene Position in der Stadt. Welche Nachbarn und Kooperationspartner*innen gibt es? Welche digitale Nachbarschaft ist wünschenswert – und wie wird man selbst zu einem Wunschnachbarn im Digitalen? Welche Gründe haben andere, sich mit einer öffentlichen Bibliothek zu identifizieren, zu vernetzen? Welche Rolle spielt die öffentliche Bibliothek in der Stadt und im Digitalen?
Die Party der anderen
Das Gespür dafür, welche Inhalte in Social Media funktionieren, muss sich entwickeln dürfen. Jede Bibliothek ist anders, hat andere Bedingungen, andere Kund*innen, ein anderes Team. Da gibt es keine Pauschalrezepte für die eine, die wahre Strategie. Es ist ein Findungsprozess. Und jeder von uns kann sich bestimmt noch daran erinnern, wie steifbeinig etwa die ersten Schritte in sozialen Netzwerken waren.
Vor ein paar Jahren war es noch etwas einfacher, möchte ich behaupten. Die Party war noch überschaubar und vieles in Entwicklung. Inzwischen tobt das Fest in zahllosen Räumen. Die Party-Crowd hat sich gefunden. Vieles geht scheinbar drunter und drüber. Sich zurechtzufinden ist erstmal eine Herausforderung. Und aller Anfang ist schwer, das wusste schon die Großmutter von Konfuzius.
Im Auftrag der Fachstelle für Öffentliche Bibliotheken NRW begleitete ich als Coachin und Beraterin ganz unterschiedliche Teams auf ihren Wegen in digitale Räume. Das letzte Coachingprogramm, das in diesem Sommer seinen Abschluss fand, führten wir zweimal durch: Mit dreizehn Bibliotheken von 2015 bis 2017, dokumentiert unter bibreise.wordpress.com, und von 2017 bis 2019 mit acht weiteren Bibliotheken.
Social Media als Hebel für Bewegung
Auffällig war, wie positiv sich die Bearbeitung des Themas Social Media durch die Teams mitsamt ihrer Leitungen auf Veränderungsprozesse, die Haltung digitalen Themen gegenüber und das eigene Selbstverständnis ausgewirkt hat. Da kam einiges in Bewegung. Manches davon wurde in Social Media sichtbar, anderes hat insbesondere intern oder in die Städte hinein gewirkt.
Wer sich für die Arbeit Öffentlicher Bibliotheken interessiert, sei hiermit auf das Blog der Fachstelle für Öffentliche Bibliotheken NRW hingewiesen.
Interview bei Deutschlandfunk Nova: Die digitale Stadtbücherei