Wer selbst bloggt oder etwas ins Internet hineinschreibt, kennt vermutlich das Kribbeln in den Minuten und Stunden danach, wenn Benachrichtigungen über Kommentare eintreffen. Kommentare und eine sich entspinnende Diskussion in den Kommentaren sind eine wertvolle Bestätigung, ob man mit einem Artikel ins Schwarze getroffen hat. Wenn über ein Thema oder eine Frage lebhaft diskutiert wird, kann für alle Beteiligten ein Erkenntnisgewinn dabei herausspringen. Wohlgemerkt: kann.
Beispiel: Gruppen bei Facebook
Ich schätze die Gruppen bei Facebook und bin auch in etlichen Gruppen Administratorin, sei es, dass ich sie selbst gegründet habe, sei es, dass ich zum Co-Admin ernannt wurde. Für mich sind die Gruppen bei Facebook immer noch das Killer-Feature und ich nutze sie gern für den Austausch über Themen oder für Projekte.
Ich finde es allerdings bemerkenswert, wie unterschiedlich diese Gruppen funktionieren. Es gibt Gruppen, in dem ein sehr fruchtbarer, angenehmer Austausch stattfindet und die für mich einen hohen Nutzwert haben. Es gibt allerdings auch Gruppen, in denen Diskussionen unerfreulich entgleisen. Oder die als reine Reklamebuden enden.
Da sind die Miesepeter, die alles erstmal grundsätzlich daneben finden, was nicht von ihnen kommt. Oder die behaupten, genau diese Idee, diese Meinung oder diese Frage schon seit Jahren (einself!) gehabt zu haben, nur kamen sie nicht dazu, sie zu äußern und überhaupt empfehle man doch, sich erstmal noch fünfzig Jahre ins Thema einzulesen. Oder sie haben sie schon vor hundertzwanzig Jahren in irgendeinem unbekannten Forum hinlänglich ausdiskutiert, also bitte, das müsse man doch wissen und alles zum Thema ist gesagt.
Da sind die Trolle, die mit Verve alle durcheinanderbringen, schlechte Stimmung verbreiten und lustvoll herumpöbeln. Kommentare sind ihre Bodychecks, jeder blaue Fleck eines anderen ihre Trophäen. Selig sind sie erst, wenn jemand heult. Und man kann ja noch versuchen, ob man nicht jemanden komplett aus dem Internet vertreiben kann. Was für ein Spaß! Nicht.
Da gibt es die Korinthenkacker, die jedes Gespräch mit ihren ellenlangen, komplizierten, verschachtelten und wirren Überlegungen jäh zum Verstummen bringen. Oft werden diese Überlegungen im Tonfall des stets missverstandenen Genies dargebracht. Würden wir doch nur endlich auf dieses Genie hören! Die Lösung für alle Probleme, sie wäre da! Nur wir, die tumben Banausen, sind leider unfähig, diese Möglichkeit zu begreifen.
Wenn es ganz arg kommt, treffen zwei oder drei derselben Sorte aufeinander, die sich gegenseitig beflügeln und sich am Diskussionsort wahnsinnig wohl und verstanden fühlen. Das führt oftmals dazu, dass sich alle anderen recht flott ausklinken, weil sie der immer gleichen Argumente müde sind.
Dann gibt’s die Internetverschmutzer, die Social Media so verstehen, dass man auf noch mehr Seiten ihre Links fallen lassen kann. Klicken, klicken, klicken! Kaufen, kaufen, kaufen!
Gut, der einzige Unterschied ist, dass sie im Social Web auch noch Dankbarkeit für diese wahnsinnig wertvollen Informationen erwarten und sich auf kritische Anmerkungen im Handumdrehen in beleidigte Leberwürste oder gar in Trolle verwandeln.
Es gibt auch die Thread-Entführer, die munter vom Ausgangsthema wegzuführen verstehen und sich mit dem Thread unterm Arm kichernd in die Büsche schlagen. Ähem, also, ich etwa bin dafür berüchtigt, fürchte ich.
Spielregeln und Mission Statement
Das sind nur einige Beispiele, wie Einzelne eine Diskussion aus dem Ruder laufen können. Es ist allzu menschlich. Regulieren lässt sich das, wenn ein Administrator sich auch als Moderator versteht.
Das bedeutet, dass man dafür sorgt, dass Diskussionen sich im Sinne aller entfalten können. Als Moderator legt man einige Regeln für die Gruppe fest und formuliert den Zweck und die Ziele der Gruppe. Das kann zum Beispiel in der Gruppenbeschreibung stehen.

Beispiel: Facebook Gruppe “Onliner in Verlagen”
Beiträge, die unerwünscht sind, können ohne weitere Diskussion gelöscht werden. Wenn die klar kommunizierten Spielregeln in einer Gruppe von einem Mitglied wiederholt missachtet werden, kann man den Störenfried ohne viel Federlesens als Moderator an die Luft setzen, ohne dass die anderen Gruppenmitglieder irritiert sind.
Es empfiehlt sich, die Regeln immer mal wieder in der Gruppe zur Diskussion zu stellen. Das wirkt sich im allgemeinen positiv auf die Atmosphäre aus. Mitsprache, Einigkeit, ein gutes Gruppengefühl – nicht zuletzt kann dies auch zurückhaltendere Mitglieder zu Aktivitäten ermuntern.
Die Fäden in der Hand
Ein guter Moderator hat seine Gruppe im Blick: was wird gepostet? Wer postet (regelmäßig)? Wie verläuft die Diskussion? Werden Beiträge gepostet, die nicht in die Gruppe gehören? Es genügt nun mal nicht, eine Gruppe zu eröffnen und zu erwarten, dass dann schon alles laufen wird. “Sind doch alles erwachsene Menschen!” Hihi. Klar ;-).
Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse Pogo
Vielen Gruppen ist anzumerken, wenn kein Moderator anwesend ist. Der Gruppenzweck ist nicht mehr erkennbar. Werbelinks häufen sich. Die Gruppe ist fest in der Hand von wenigen Korinthenkackern und die anderen Mitglieder sind verstummt. Der Tonfall in den Diskussionen ist persönlich beleidigend und Trolle können sich auf Kosten von anderen ordentlich austoben.
Für mich sind das Gruppen, aus denen ich mich rasch wieder verabschiede.
Ein guter Moderator handelt – im Sinne seiner Gruppe. Sei es, dass er unerwünschte Werbung kurzerhand löscht, Störenfriede anspricht oder rauswirft oder Diskussionen aktiv oder passiv begleitet.
Ein guter Moderator diskutiert selbst mit und sorgt für eine angenehme Gesprächsatmosphäre.
Ein guter Moderator vermittelt im Streitfall zwischen den Gruppenmitgliedern.
Nicht nur Gruppen bei Facebook, auch Blogs
Was ich hier am Beispiel der Gruppen bei Facebook beschrieb, gilt übrigens auch für Blogs, insbesondere Blogs von Unternehmen. Eine schlechte Gesprächskultur fällt irgendwann auch auf das Unternehmen zurück. Es lässt sich manchmal nicht verhindern, dass Trolle, Korinthenkacker oder Internetverschmutzer die Kommentare entern. Aber wer den Gesprächsraum nach Hinterlassen eines Artikels fluchtartig verlässt und nie wieder aussucht, schafft beste Bedingungen für diese Rabauken.
Ein guter Moderator ist auch ein guter Gastgeber.
Ein guter Moderator ist anwesend.
Jehova! Jehova! Sandale! Gnihihihi! Nee, wirklich, in den Gruppen zeigt sich noch mal verdichtet, wes Geistes Kind der ein oder andere Facebook-Nutzer ist! Wibke, ich finde deine Schilderungen immer zu 100 Prozent treffend und du zeichnest diese ganzen Figuren aus dem Netz – auch mit Worten!! Das mag ich sehr!!!
Danke Dir, liebe Anke :). Es ist in der Tat manchmal schockierend oder ernüchternd, wie Leute dort agieren oder mit anderen umspringen. Vor allem, wenn es dann auch noch öffentliche Gruppen oder eben Blogs sind. Auch faszinierend, wie es in manchen Gruppen bei Xing zugeht – ausgerechnet …
Ein sehr idealisiertes Bild. Aus meiner Erfahrung
– werden Türschilder und Regeln im Web nicht wahrgenommen
– sind Moderatoren schnell Ziel von Anfeindungen, vor allem konsequente Moderatoren, was über kurz oder lang zum Verschleiß führt
– führt gleichzeitige Moderation und Teilnahme an der Diskussion zu Gruppenbildung und damit Moderation nach zweierlei Maß
Fazit: Wer selbst nicht moderiert, mag nach “guter Moderation” schreien, wer es tut, weiß, dass das nur schwer möglich ist im pseudonymen Raum.
Nun ja, wie ich schrieb: Ich moderiere ja selbst einige Gruppen und Communities. Insofern weiß ich natürlich, dass sich die Praxis meist weniger einfach gestaltet. Alles kein Grund, sich als Moderator komplett rauszuhalten. Das macht Gruppen, Communities oder auch Blogs im Nu kaputt.
Es ist durchaus auch eine Kunst, Regeln so zu formulieren, dass sie gemocht werden. Das setzt ein “committment” voraus, woran vielleicht schon Vieles im Beginn scheitert, weil eine Zielsetzung fehlt oder eine klare Ansprache.
Es bleibt also kompliziert, aber nicht unmöglich :).
Hi! Ein Kommentar auf einen alten Text!! Bin aber erst jetzt auf deinen Text gestoßen, wie das so ist in diesem Internet. Aber: Thread-Entführer 🙂 Großartige Typisierung. Du schreibst sehr schön und das mit der richtigen Portion Selbstreflexion. Gruß von Kölle nach Kölle. Always look on the bright side of life…. Silke (Prian-Fan)