Setzt Euch aufs Sofa, nehmt Euch ein Tässchen Tee. Hier, ein Keks. Omma erzählt von früher.
1998 trat ich einer Interessensgemeinschaft bei, sozusagen. Ich begann meine Ausbildung zur Sortiments-Buchhändlerin, nachdem ich eine Weile herumstudiert und, während des Studiums, u.a. in einer PR-Agentur und im Museum gejobbt hatte. Es brauchte keine Gehirnwäsche und keine blutigen Rituale, um mich zu assimilieren. Ich trat der Buchbranche willig und begeistert bei. Haufenweise Überzeugungstäter und vom Buch musste mich ohnehin niemand überzeugen. Im Gegenteil: nun kam ich auch noch leichter an den Stoff ran, yeah!
Auf den Buchhandel folgten die Jahre in Verlagen, wo ich allerdings bemerkenswert rasch mit einer geheimbündlerischen Unterorganisation sympathisierte und zu einer ihrer Rädelsführerinnen wurde: Onliner in Verlagen.
Vernetzen, erobern, Welten aufbauen und siegen!
Viele Onliner in den Verlagen warendurch Computerspiele sozialisiert, für die man ehemals manuell in Config.sys und Autoexec.bat herumfuhrwerken und Speicher anpassen musste, damit die liefen. Immer auf der Pirsch nach Tricks, mehr aus den PC-Kisten herauszuholen. Wochenenden in sauerstoffreduzierten und abgedunkelten Zimmern, die Rechner über Nullmodem-Kabel zusammengeschnallt, Wochenenden, aus denen man blass und rotäugig nach einem erbitterten Kampf um Ruhm und Ehre bei Age of Empires in den Alltag zurückkehrte.
Dadurch zuhause im eigenen Computer und in der Lage, Probleme irgendwie zu lösen. Rumschrauben, im BIOS rumkramen, papperlapapp. Wir hatten ja nichts. Übrigens auch kein oder kaum Internet. Remember 56k modems?
»Huch, juhu, das ist ja bei uns genauso!«
Bei den Onlinern waren natürlich auch Leute, die sich schon frühzeitig auf die lichte Seite der Macht geschlagen hatten, Informatik studiert und etwas Ordentliches aus sich gemacht hatten. Nun fanden alle zusammen, die “irgendwas mit Internet” im Verlag machten, ob aus der Herstellung, dem Vertrieb, dem Lektorat, der Presse oder dem Marketing.
Mit Nina Reddemann vom Hanser Verlag versammelte ich die Onliner in Verlagen in einer Gruppe bei XING. Bei Regionaltreffen sprachen wir über Buchtrailer, die Zusammenarbeit mit Online-Redaktionen und ONIX. Es war eine Erleichterung, auf Menschen zu treffen, die in ihren Verlagen vor ähnlichen Fragen und Problemen standen wie ich.
i-erlegende Www-ollmilchs@ue
Als ich 2003 meine Stelle als Online-Manager antrat, waren weder mir noch dem Verleger so ganz klar, was ich eigentlich machen sollte. Nachdem ich nach zwei Wochen feststellte, dass nichts passieren wird, wenn ich mir nicht selbst eine Stellenbeschreibung erfinde, fing es an, Spaß zu machen: Shop-Optimierung, Usability, SEO/SEA, Blogger Relations (die man damals noch nicht so nannte), Online-PR, Bannerwerbung, Website-Relaunch, Metadaten und ONIX-Export, Ebooks, Apps, E-Mail-Marketing, Microsites programmieren, Bildbearbeitung – es gab niemanden außer mir selbst, der das machen konnte. Also nichts wie ran.
Ich lernte großartige Dienstleister kennen, mit denen die Zusammenarbeit viel Freude machte, lernte einen Haufen Dinge und kramte mich so durch. Als ich mich Anfang 2010 selbstständig machte, war mir klar, dass sich meine Arbeit verändern wird. Eine kristallklare Vorstellung dessen, wie sich alles entwickeln wird, hatte ich jedoch nicht.
Kommission possibile: Onliner in Verlagen, vereinigt Euch!
Nun, die Zeiten, in denen ein Onliner im Verlag dafür sorgte, dass der Rest des Kollegiums in Ruhe und vom Internet unbehelligt seiner Arbeit nachgehen konnte, sind mittlerweile vorbei. Und auch wenn ich inzwischen eher am Rande des Suppentellers sitze, fühle ich mich immer noch als Teil der Buchbranche. Ich arbeite für und mit Verlagen und Buchhandlungen zusammen und schreibe mehr und mehr selbst.
Beim AKEP, dem Arbeitskreis für Elektronisches Publizieren, arbeite ich ehrenamtlich mit. Und ich freue mich, am 4. Juni 2014 nicht nur die AKEP-Jahrestagung zu moderieren, sondern am Nachmittag auch gemeinsam mit Steffen Meier unsere neu gegründete Kommission Digitales Marketing & Kommunikation ins Leben zu führen.
Mit Karl Kratz haben wir einen fantastischen Sprecher, ein kundiger SEO-Experte, der uns auf den neuesten Stand bringen wird, wie sich Suchmaschinenoptimierung verändert hat und wie was das strategisch bedeutet:
Digitale Sichtbarkeit – von SEO bis Social
“Discoverability” hat je nach Sichtweise das Potential zum Wort oder Unwort des Jahres für viele Verlage. Fakt ist: Sichtbarkeit im Digitalen ist ein Prozeß, ist KnowHow und muss erarbeitet werden.
In dieser Session sollen die Trends und Hard Facts auf den Tisch, um das nötige Rüstzeug zu erhalten, auch in Zukunft noch kraftvoll…nee, besser: Rüstzeug zu erhalten, um die Produkte und Verlagsmarken in digitaler Überflutung für Leser und Nutzer auffindbar zu machen.
Karl Kratz (onlinemarketing-blog)
Das komplette Programm: boersenverein.de/Buchtage_Berlin.