Vielfalt. Respekt. Wertschätzung. Vertrauen. Achtsamkeit. Freundlichkeit.
Um diese Werte ging es in vielen Gesprächen auf den Veranstaltungen, die ich in den letzten Minuten (hihi, MONATEN, natürlich) besucht habe. Egal ob es um Storytelling, Publishing, Kultur, die Nutzung von digitalen Medien in der Schule, Cybermobbing oder Netzpolitik ging. Zu meinem Entzücken, denn mich langweilen die auf Technologien konzentrierten Diskussionen zuletzt zunehmend, wo es doch eher um die Verständigung über den Umgang miteinander gehen muss. Und um Lösungen, die die Lebenswirklichkeit der meisten Menschen abbilden. In einer eher digizentrischen Welt verfügen wir alle über ausreichend Internet, entsprechende Geräte und erfüllen Aufgaben, die die Möglichkeiten des Digitalen ausloten und mit denen man seinen Lebensunterhalt bestreiten kann.
Der Alltag ist aber vielfältiger, und der Prozess, der zu einer sinnvollen Verknüpfung von digitaler und analoger Welt führt, ist ein langsamer. Schmerzvoll langsam für viele, die Ideen und Lösungsvorschläge haben, wie dieser Prozess stattfinden oder sogar beschleunigt werden kann.
Dass für uns alle Gegenwart und Zukunft nicht gleichzeitig stattfinden, ließ sich recht gut beim Zukunftskongress der Aktion Mensch erkennen. Ausgerechnet in den Panels rund um Technologieentwicklung und digitale Kommunikation fand doch eher eine Diskussion der Gegenwart statt. Das merkte auch Tanja Kollodzieyski an, die sich mehr Beiträge über Perspektiven für die Zukunft versprach. (Das »bibliophile Rollstuhlfräulein« gab mit ihren Tweets auch für Nicht-Anwesende gute Einblicke in die Vorträge auf dem Kongress. Schön, dass wir uns nun auch mal live getroffen und gesprochen haben!) Grundsätzlich gebe ich ihr recht: ob es um digitale Hilfsmittel und Barrierefreiheit oder um Big Data ging – wirklich richtig, also ganz dolle neu war nicht, worüber gesprochen und was vorgestellt wurde.
Aber aus zwei Gründen finde ich das nachvollziehbar: zum einen gibt es zur Zeit technologisch nichts bahnbrechend Neues. Die Herausforderung besteht eher darin, Lösungen mit den Neuerungen der letzten Jahre zu entwickeln, und zwar so, dass sie für möglichst viele Menschen zugänglich sind oder einen Sinn für einige Menschen haben, die ohne diese Lösungen von der Teilhabe ausgeschlossen wären. Zum anderen ist für viele Menschen das, was vorgestellt wurde, die Zukunft.
All jene, die Digitalien seit Jahren als Zweitwohnsitz ganz selbstverständlich besiedeln, winken gelangweilt ab, wo bei anderen die Augen groß werden. Und dabei hörten auf dem Zukunftskongress schon jene zu, die immerhin an Technologien und digitaler Kommunikation interessiert sind. Für viele ist selbst das noch keine Gegenwart, ob aus Angst, Unsicherheit, Abwehr oder schlicht Desinteresse.
Winke, winke! Selfie mit Tanja aka @RolliFraeulein, die Twitter rockte.

Super! Mit Sketchnotes wurden die Ergebnisse der Panels grafisch festgehalten.
Über Visionen und Perspektiven wurde interessanterweise eher in den anderen Panels gesprochen, in denen es um Arbeitsleben und Unternehmensentwicklung, Bildungschancen und Lebensweggestaltung, gesellschaftliche Entwicklung und soziale Verantwortung oder selbstbestimmtes Leben in sozialen Räumen und Beziehungen ging. Wie so oft, wenn Vorträge und Diskussionsrunden parallel stattfinden, bekommt man vieles nur am Rande mit.
Es mangelte auch etwas an eifrigen Twitterern, die mit ihren Tweets Gehörtes live dokumentiert hätten. Einige wenige hielten die Twitter-Fahnenstange hoch und so kann man unter dem Hashtag #zki2025 einiges nachlesen. Auch die Beiträge der Blogparade sind in ihrer Vielfalt und mit ihren Gedanken äußerst lesenwert.
Ich war mir nicht sicher, was mich auf diesem Zukunftskongress erwartet. Aber ich bin sehr froh darüber, nach Berlin gefahren zu sein. Mir ist abermals bewusst geworden, dass unsere Gesellschaft noch weit von gelebter Vielfalt entfernt ist. Immerhin scheint Social Media und das Internet allgemein mehr Vielfalt und Teilhabe zu ermöglichen. Scheint, denn Social Media funktioniert mit quantitativen Bewertungsmechanismen. Ein hakeliges Thema, das ich sicher noch einmal vertiefen werde.
»Das Wir gewinnt«
Es wurde viel gelächelt auf diesem Kongress. Ich empfand die Atmosphäre als sehr gastfreundlich. Vielleicht wirkt es sich einfach insgesamt positiv aus, wenn ein Publikum in sich heterogen ist. Wohltuend wenig breit gescheitelter, grauer Zweiteiler in routinierter Geschäftigkeit.
Getränke waren für jeden problemlos und leicht zugänglich. Nicht selbstverständlich auf Kongressen, wo es meistens nur eine umlagerte Wasserstelle gibt, an der man artig um sein Getränk bitten muss. Die Speisekarten waren sämtlich in leichter Sprache gehalten (wie es im übrigen auch ein Kongressprogramm in leichter Sprache gab). Wäre es nicht wohltuend, wenn sich auch andere Veranstalter mehr als Gastgeber begreifen und darum bemühen würden, dass sich alle gut aufgehoben und versorgt fühlen und es weniger Verständnisprobleme gibt? Ich fand es allein schon sehr angenehm, dass die Toilettenwegweiser weithin zu sehen waren.

Speisen in leichter Sprache erklärt.

Links der Gebärdendolmetscher, in der Mitte die Sprecherin Anja Förster und recht die Transkription. Alles etwas anders beim Zukunftskongress der Aktion Mensch. Anders und gut. #zki2025

Kann man mit einem Klick die Welt verändern? Panel mit Raul Krauthausen, Gründer von Wheelmap und Leidmedien, Medienforscherin Dagmar Hoffmann und einer Vertreterin der Petitionsplattform Change.org. #zki2025 Und zwei Gebärdendolmetscherinnen, die sich abwechselten.
Egal ob auf der großen Bühne oder in den Themenpanels, die in technisch gut ausgestatteten weißen Zelten stattfanden: Gebärdendolmetscherinnen und eine Transkription (Gehörtes → Text) in Echtzeit waren selbstverständlich. Die Gebärdendolmetscher haben mich sehr beeindruckt, denn selbst das Impro-Theater haben sie in Echtzeit in Gebärden übersetzt. Irre! Toll!
Das Impro-Theater mit dem Improvisationtheater Steife Brise war übrigens fantastisch. Am ersten Tag konnte man grüne Zettel ausfüllen und in einen Kasten werfen: was war gut? Was nimmt man mit? Welche Fragen gibt es? Welche Stichwörter sind wichtig? Beim ImproTheater wurden diese Zettel als Impulse genutzt – und es war ein göttliches Vergnügen, weil die Absurdität vieler Buzzwords so offentlichtlich wurde. Es wurde herzlich gelacht. Und mal lauthals über sich selbst zu lachen, stünde manchem Kongress gut zu Gesicht …
Traumgesellschaft?
Es gab auf dem Kongress eine Wand von Junge Aktion Mensch (JAM) mit Merkmalen einer Traumgesellschaft. »Ja, genau so«, dachte ich beim Lesen. Und das es eigentlich so einfach und im Sinne aller wäre … Momentan bestimmen statt dessen Kampagnen und Aktionen zur Ausgrenzung von Menschen die Nachrichten.
Die Angst und die Unsicherheit gegenüber allem, was fremd oder fremdartig erscheint, gefährdet den Frieden in unserer Gesellschaft, vor allem wenn sie mit mangelnder Bildung und perfiden Machtansprüchen oder gar Allmachtsfantasien daherkommen. Angst macht Menschen beeinflussbar und verführbar. Damit lässt sich (leider) auch mehr Geld verdienen als mit souveränen Menschen, die sich sicher fühlen und Andersartigkeit als Bereicherung und nicht als Bedrohung empfinden. Aber es hilft bereits, die Welt ein wenig besser zu machen, wenn jeder von uns im Alltag versucht, diese Werte zu leben:
Vielfalt. Respekt. Wertschätzung. Vertrauen. Achtsamkeit. Freundlichkeit.
Bin ich eine Sozialromantikerin? Eine von diesen weichgespülten Weltverbesserern? Oh, Moment, gar ein Gutmensch? Ja. Vermutlich. Und vor allem eine Egoistin. Mir gefällt diese Welt nämlich in der Tat besser, wenn die Menschen höflich und würdevoll miteinander umgehen. Ob in Digitalien, daheim oder auf der Straße. Ich bin für Inklusion: »Inklusion heißt wörtlich übersetzt Zugehörigkeit, also das Gegenteil von Ausgrenzung.«

Bei JAM, der Junge Aktion Mensch, konnte man herumlümmeln. Und die Wünsche an eine Traumgesellschaft lesen.
P.S. Dazu passt übrigens auch dieser wundervolle Kurzfilm von ARTE, der dieser Tage durch Social Media gereicht wurde:
Programm des Zukunftskongress Aktion Mensch: https://www.aktion-mensch.de/zukunftskongress/
Beiträge der Blogparade #Inklusion2025: https://www.aktion-mensch.de/blog/beitraege/zukunftsvisionen-_zukunftsmissionen.html
Was ist eigentlich Inklusion? https://www.aktion-mensch.de/themen-informieren-und-diskutieren/was-ist-inklusion.html