„Lob und Tadel bringen den Weisen nicht aus dem Gleichgewicht.“ Mit diesen Worten von Buddha könnte ich den Beitrag im Grunde bereits beschließen. Wenn es nur gelänge, auch im Alltag und im Eifer des Gefechts weise zu bleiben (oder überhaupt zu Weisheit zu gelangen).
Kritik trifft. Sie erwischt einen selten in den Momenten, in denen man sich darauf einstellt. Kritik trifft, wenn sie überrascht oder einen wunden Punkt berührt. Sie trifft, wenn man den Kritisierenden und seine Motive nicht einordnen kann. Da man sich nun aber ab einem gewissen Alter bei Kritik nicht mehr greinend auf den Boden werfen oder Türen knallend den Saal verlassen kann, braucht es eine Haltung und Strategien für den Umgang mit Kritik.
Ob in Social Media, in Seminaren, Vorträgen oder im direkten Gespräch: Es hilft sehr, wenn man Kritik nicht (zu) persönlich nimmt und sie sich genauer ansieht – samt Kritiker und Kontext. Nicht jede Kritik, die mürrisch oder ruppig daherkommt, ist eine Anfeindung, eine Beckmesserei. Manchmal kommt sie nur komisch rüber.
Kritik anzunehmen ist mindestens genauso schwer wie Kritik zu üben. Was ich erst spät begriffen habe: Menschen haben sehr unterschiedliche „Zuhör-Gesichter“. Während manche beständig interessiert und heiter blicken, versteinern bei anderen die Gesichtszüge und die Mundwinkel sinken gen Erdmittelpunkt. Ist das bereits Kritik? Gerade Letztere sind oft die, die besonders aufmerksam zuhören. Und mancher verpackt eine Anerkennung oder Würdigung lieber in eine kritische Anmerkung, bevor ihm lobende Worte über die Lippen kommen.
Eine Einschätzung der Gesamtsituation (und der eigenen Verfassung) ist also hilfreich, um Kritik einordnen zu können. Und um entscheiden zu können, wie man mit der Kritik umgeht.
Es war einmal bei einem Seminar …
In der Blogparade #Kritikprofis bei Kerstin Hoffmann geht es darum, „Wie Kommunikationsprofis konstruktiv mit Kritikern, Querulanten, Pöblern umgehen“. Zahlreiche Anekdoten und Tipps zeigen bereits, auf welche Weise Menschen Kritik begegnen oder selbst Kritik äußern. Eine Begebenheit aus einem meiner Seminare hat mich selbst sehr viel über Kritik gelehrt:
Ein zweitägiges Seminar zum digitalen Wandel für die Buchbranche. Etwa fünfzehn Teilnehmerinnen und Teilnehmer saßen vor mir. Es war ein sonniger Tag, die Technik schnurrte wie ein Kätzchen, die Stimmung war gut. Es ging um Social Media. Ein Teilnehmer jedoch schien fest entschlossen, das alles für Blödsinn zu befinden. Er hatte sich offenbar nur angemeldet, um sich in seiner Grundannahme bestätigen zu lassen, dass dieses ganze Internet und insbesondere Social Media Mist ist und sowieso wieder weggeht. Da alle anderen interessiert und neugierig waren, nahm ich das erstmal hin.
Aber ich bemerkte, wie er in den Pausen nach und nach Unfrieden stiftete und die Gruppe in Zweifel und Unsicherheit stürzte. Nach der Mittagspause habe ich den geplanten Ablauf verändert. Ich sprach die Gruppe an, schilderte meine Eindrücke und gab den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Aufgabe, in zwei Gruppen alle Argumente zu sammeln, die gegen Internet und Social Media sprechen. Es kam vieles zusammen, viele schwache und starke Argumente, die gegen eine Nutzung speziell von Social Media sprechen.
Ich war selbst verblüfft, mit wieviel Spaß die Gruppe diese Argumenten in der Präsentation zerpflückte oder einordnete und am Ende mit den Argumenten abglich, die für eine Nutzung sprechen. Die Stimmung in der Gruppe war fabelhaft, was sich auch positiv auf den zweiten Tag auswirkte. Tja, am Ende der zwei Tage war es übrigens der Kritiker, der das euphorischste Feedback gab und bereichert nach Hause fuhr.
Für mich war das sehr erhellend. Ich war im Nachhinein froh und auch ein wenig stolz auf mich, die Situation intuitiv richtig eingeschätzt und gelöst zu haben. Etwas Glück war sicherlich auch dabei.
Gelassenheit statt Angst
Lassen sich daraus Empfehlungen für andere ableiten? Gerade im zwischenmenschlichen Miteinander spielen viele Faktoren eine Rolle, die Situationen nur bedingt vergleichbar machen. Es wird immer wieder Situationen geben, in denen man kalt erwischt wird oder man eigentlich nicht in der Verfassung ist, sich mit Kritik beschäftigen zu wollen. Wer sich selbst kennt, kann besser einschätzen, ob und wann Kritik gerechtfertigt ist, ob sie hilfreich, nachvollziehbar, vernichtend oder anerkennend gemeint ist und entsprechend handeln. Das gilt auch für Unternehmen. Mehr Gelassenheit als Angst beim Umgang mit Kritik, das ist doch ein schönes Ziel, oder?
Und damit wären wir auch wieder bei Buddha. Seine Worte können vielleicht ein wenig dabei helfen, Kritik und Lob auch im alltäglichen Getümmel mit mehr Weisheit zu begegnen.
Das Leben ist ein wertvolles Geschenk,
nutze die Zeit und verschwende sie nicht,
keine Sekunde ist wiederholbar,
achte auf deine Gedanken und Worte,
lerne so viel du kannst und verbringe auch Zeit allein,
liebe mit dem Herzen und vergib denen, die dich kränkten.
Feiner Beitrag. Der letzte Satz ist wohl das Schwierigste, aber ich will es mir hinter die Ohren schreiben. 🙂
Aus mir wird wohl auch nie ein wahrer Buddhist voller Weiheit und Güte werden. 😉