Hunde und Katzen muss es damals in Schottland geregnet haben. Vielleicht was es auch noch bitterkalt. Wanderte Robert sonst ungeachtet des Wetters im schottischen Hügelland umher, war er nun wegen einer lästigen Erkältung dazu verdammt, im Haus zu bleiben und sich um seinen Stiefsohn zu kümmern. Sie malten zusammen. Dabei entstand die Landkarte einer Insel. Einer Schatzinsel.
Robert Louis Stevenson schrieb „Die Schatzinsel“ für seinen Stiefsohn Lloyd. Der Roman wurde als Forsetzungsroman erstmal ab 1881 veröffentlicht und ist bis heute ein viel gelesener und oft verfilmter Klassiker der englischsprachigen Literatur.
Es ist ein magischer Moment, wenn sich Bilder und Wörter zu einer Geschichte fügen. In ihrer Blogparade ruft Caroline Kliemt, die wunderbare @reichweite, dazu auf, uns den recht strapazierten Begriff des Storytelling vorzuknöpfen. Ich knöpfe!
Beim Storytelling geht es ums Erzählen von Geschichten. Robert Louis Stevenson hatte schon als kleiner Junge die Leidenschaft für das Reimen und Erfinden von Geschichten gepackt. Er konnte offenkundig gar nicht anders, als immer neue Geschichten zu schreiben.
Für Unternehmen ist Storytelling eine Methode zur Vermittlung etwa von Wissen, Unternehmenskultur oder -werten oder zur Förderung von Verbundheit. Mit Geschichten erreicht man die Menschen im Wettstreit um Aufmerksamkeit besser. Storytelling ist angesagt und macht sich irre gut in Konzepten. Klingt gleich so hübsch nach Kino!
In der Blogparade gefielen mir besonders gut die Beispiele von Kristine Honig. Was jedoch vielen anderen Unternehmen fehlt, ist neben der Lust am Erzählen eine eigene Sprache. Dabei trägt jeder von uns einen Schatz in sich, der mitunter tief vergraben ist: den Wortschatz! Die Suche danach mag sich so hindernisreich gestalten wie die Suche nach dem Piratenschatz in Stevensons Klassiker. Dafür hat er aber einen entscheidenden Vorteil: der Wortschatz wird umso reicher, je mehr man ihn plündert.
Schmales Schätzchen oder praller Schatz?
„Der Wortschatz der deutschen Standardsprache umfasst ca. 75.000 Wörter, die Gesamtgröße des deutschen Wortschatzes wird je nach Quelle und Zählweise auf 300.000 bis 500.000 Wörter bzw. Lexeme geschätzt. So gibt Duden. Deutsches Universalwörterbuch an, der Wortschatz der Alltagssprache werde auf etwa 500.000, der zentrale Wortschatz auf rund 70.000 Wörter geschätzt. Das Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm (1852–1960) wird auf ca. 350.000 Stichwörter geschätzt.“ (Wikipedia)
„Toller Blogbeitrag! Interessantes Interview! Spannende Studie!“ Zugegeben, mir fehlen auch manchmal die Worte. Jeder von uns hat einen aktiven Wortschatz, mit dem er im Alltag hantiert. Bei den einen baumelt da nur ein kleines Täschchen, andere balancieren einen prall gefüllten Karton. Die Schätzungen über den Umfang des aktiven Wortschatzes gehen von 3.000 bis über 200.000 Wörtern bei Muttersprachlern aus. Gerade wenn die Zeit fehlt, greift man dann gern zu den naheliegenden Wörtern.
Dabei gibt es Wörter über Wörter! Lieblinge, Ungetüme, alltägliche Wörter, familiär oder regional geprägte Wörter, vom Aussterben bedrohte Wörter. Und täglich erfinden wir, ob bewusst oder unbewusst, neue Wörter für Dinge und Umstände. Wörter geben Inspiration für Geschichten. Wörter können wie eine Landkarte sein, aus der eine Geschichte entstehen kann. Wer eine Geschichte erzählen will, braucht Wörter. Aber wie kommt man an eigene Wörter?
Lesen hilft.
Manchmal ist es nur eine Kupfermünze für den Wortschatz. Andere Bücher quellen schier über vor Juwelen, Gold und Glitzersätzen. Ein Gedicht ist mitunter für den Wortschatz wertvoller als ein 1000 Seiten-Wälzer. Aber ob Songtext, Comic, Kinderbuch, Groschenroman, Märchen, Gedicht, Klassiker oder Sachbuch: Lesen hilft bei der Erweiterung des Wortschatzes.
Synonyme suchen.
Um gezielt den Wortschatz zu trainieren, kann man sich hervorragend Anregungen im Internet suchen. Wem „interessant“ zum Halse raushängt, findet Synonyme etwa bei Duden, Woxikon, Wortschatz Uni Leipzig oder beim OpenThesaurus.
Mut fassen.
Für eine eigene Sprache braucht es eine Haltung. Wie auswendig gelernte Phrasen nerven können, erleben all jene immer wieder, die mit der Bahn fahren. Gerade in kritischen Situationen können die dressierten Sätze, ungerührt vorgetragen, zusätzlich Nerven kosten. Manchmal aber gibt es Zugbegleiter, die eigene Wörter finden. Und es wird offenbar: Da spricht ein Mensch. Neugier erwacht: Wer mag der Mensch sein, der zu diesen Sätzen gehört? Die Stimmung wird merklich besser.
Zu einer eigenen Sprache gehört nicht nur Haltung, sondern auch Mut. Denn man wird (wieder)erkennbar. Doch sollte das nicht aus Unternehmenssicht mit Blick auf Markenbildung erstrebenswert sein?
Inspiration finden.
Inspiration lässt sich nur schwer suchen. Meist bricht sie über einen herein. Es kann eine Kleinigkeit sein, ein Bild, das wir sehen, ein Wort, das wir lesen oder die Geste eines Menschen: Inspiration ist wie die unerwartete Berührung eines elektrischen Weidezauns. Nichtsdestotrotz lassen sich Situationen herstellen, die der Inspiration dienlich sind. Bei manchen genügt es, sich morgens unter die Dusche zu stellen. Andere brauchen eine Wanderung durch einsame Landschaften. Manche brauchen einen kräftigen Drink. Mit Schirmchen. Aber halt, da stand doch auch etwas von „ein Wort, das wir lesen“?
Wie wäre es mit einer Wanderung über die Wortweide, wo man gemächlich durch über 31.000 Wörter schlendern kann?
Robert Louis Stevenson fand seine Inspiration beim Malen. Stifte, Farben und Papier sind vielleicht nicht die allerhippsten Gadgets. Ein Versuch ist es wert. So kann aus etwas Muße, Fantasie, der Lust am Erzählen und widrigen Bedingungen eine Landkarte und aus der wiederum eine Geschichte wie „Die Schatzinsel“ entstehen, die sich ins Gedächtnis der Menschen gräbt.
Na, um eine lange Geschichte kurz zu beenden: wir bekamen ein paar Mann an Bord, hatten eine gute Heimfahrt, und die Hispaniola traf in Bristol ein, als Herr Blandly gerade dran dachte, das zweite Schiff auszurüsten. Nur fünf Menschen von allen, die auf der Hispaniola ausgesegelt waren, kamen auf ihr nach Hause.
»Suff und der Teufel holten den Rest« – das konnte man wohl sagen! Allerdings war es uns nicht ganz so schlimm gegangen, wie jenem anderen Schiff, von dem es in dem Liede hieß:
›Nur ein einziger Mann am Leben blieb
Von fünfundsiebzig an Bord!‹
Aber vielleicht genügt Ihnen auch schon, ein ansprechendes Synonym für „interessant“ gefunden zu haben. Storytelling beginnt mit einem Wort.
P.S. Um Storytelling, Ideenfindung und wie man einen eigenen Ausdruck findet ging es auch beim stARTcamp München, beim Budenzauber mit den Herbergsmüttern.
Danke für die tollen Tipps!
Ein „zugkräftiger“ Blogpost (habe den Open Thesaurus bemüht). Und einen eigenen Titel für Dich habe ich auch gefunden: Ihre Vlauschität, der Wort-Schatz Wibke. Vielen Dank für Deinen Beitrag, liebste Sinnundverstand.
Ich danke Dir, liebste Caro, für den Anstoß, mich eingehender mit meinem Lieblingsthema zu beschäftigen: Wörter <3. Deine Blogparade ist in jedem Fall ein Quell an Inspiration.
Vielen Dank für diesen von wunderbaren Wörtern und Bildern überschäumenden Text. Ein Reisejournalist sagte mir einmal, er habe eine Blacklist für Wörter wie „paradiesisch“ und „idyllisch“. Vielleicht sollten wir uns alle auch eine solche Blacklist zulegen, auf welcher dann unter anderem „toller/interessanter/spannender Beizrag“ steht…
Herzlichen Dank auch für die Verlinkung! Freut mich, dass der Bergmann ankam 🙂