„Wie war das noch, 3 – 2 – 1?“
Schwirr, schwirr.
Herr Hoffmann steht an der Spüle und mixt den Drink der Verdammnis für die Fruchtfliegen. Drei Löffel Saft, zwei Löffel Essig, ein Tropfen Spüli. Ah, zwei Löffel Wasser. Und vielleicht noch einen Schluck Alkoholhaltiges?
Schwirr, schwirr.
Die Fruchtfliegen sausen aufgeregt um die Spüle herum.
Vielleicht nicht mehr lange.
Es ist wieder diese Zeit im Sommer. Ich habe mich schon gefragt, wann es so weit ist. Es ist doch alles ein wenig durcheinander, ist es nicht? Währenddessen donnert es draußen und Frau Holle richtet die Gießkannentülle gen Erde.
Kurz vor August und schon wirkt das Draußen verblüffend herbstlich.
Mediokre Temperaturen, hier und da Regen, gedimmtes Licht. Wetter und Klima – nie war es komplizierter. Wetter ist längst kein Small-Talk-taugliches Thema mehr. Erwähnung findet die Wetterlage indes auch bei der Kaltmamsell in München und beim Herrn Buddenbohm in Hamburg. Die Wolken hängen tief über Deutschland. In nahezu jedweder Hinsicht.
Rede ich also doch small übers Wetter. Ich frage mich manchmal, wie sehr viel jüngere Menschen das so wahrnehmen. Denn ich denke wie vermutlich viele Menschen unwillkürlich an Sommertage der Vergangenheit, was ungefähr so solide ist wie die Erinnerungen selbst. Nein, nicht als Teil der wütenden Klimaleugner*innen, die was von „Früher hat’s auch geregnet!“ oder wahlweise „Früher war’s auch mal trocken!“ krakeelen. Mehr ein nachdenkliches Abgleichen. Etwas verblüfft war ich noch kürzlich, als meine Frau Mutter erwähnte, dass wir den Familienurlaub irgendwann wegen des Wetters auf die andere Seite der Alpen verlegt hatten.
Kärnten statt Bayrischer Wald. Sonne statt Regen. Ferien auf dem Bauernhof blieb. Offenbar waren es damals in den 1970ern die Landwirt*innen, die eine Gaststube mit Gerichten aus eigenen Erzeugnissen und erste bezahlbare Fremdenzimmer eingerichtet hatten. Meine Frau Mutter wollte auf jeden Fall Sonne. Also mussten wir über die Alpen. Zack, Sommer. Also, dieser Sommer mit 20-25 Grad und Sonne, manchmal Gewitter (und was für welche. Seitdem habe ich großen Respekt vor Gewittern.)
Mir war das Wetter als Kind ziemlich gleichgültig, weil wir auch im Regen wanderten oder ich einfach draußen bei den Tieren war. Jahrelang zählte ohnehin nur eins: Pferde. Solange irgendwo Pferde waren und ich in ihrer Nähe sein konnte, war es immer schön. Oder wenigstens Tiere. Kühe, Gänse, Hühner, Schafe. Muh und Mäh.
Durch den Kleingarten blicke ich nochmal anders aufs Wetter. Vom kleinen Garten ins Große: Mir bereiten die immer extremeren Wetterlagen mit Starkregen, Sturm, Hagel oder eben stechender Sonne bei über 40 Grad große Sorgen. Das ist nicht mehr nur unangenehm. Das ist lebensgefährlich. Lösungen liegen vor. Die wissenschaftlichen Analysen sind da. Unsere Regierung? Die Regierungen anderer Länder? Ein großer Teil der Gesellschaft? Tja. Ich begreife es nicht. Kriege zu führen und anderen zu schaden scheint einfacher zu sein.
Die Mauersegler sind übrigens bereits wieder in den Süden gezogen.
In Bad Kleingarten haben wir am Wochenende die letzten Kartoffeln aus der Erde geholt. Etwas Bodenständiges habe das, meint der Herr Kurparkdirektor. In der Tat. Wie schön grundlegend das ist, diesen Goldschatz zu heben. Kartoffeln, von uns betüdelt und in unserem Garten gewachsen. Das erste Mal, dass wir welche anbauen. Nicht das letzte Mal.
Über dem temporären Kartoffelacker reifen die Äpfel. Wir hoffen darauf, in diesem Jahr ein paar nicht durchwürmte Äpfel zu ernten. Die Kunst, den Apfelwickler einzudämmen, damit auch wir etwas vom begehrten Obst abbekommen, nun, wir üben uns darin. Stamm abbürsten, Pheromonfallen aufhängen, in die sich die Apfelwicklermänner stürzen. Vermutlich müssten wir auch das Fallobst gründlicher entsorgen, aber das bleibt dann doch liegen für Schmetterlinge, Wespen und alle, die im Spätsommer Fruchtzucker brauchen.
Wobei in Bad Kleingarten immer noch viel blüht. Und die Blüten sind nach wie vor gut besucht. Im hohen Gras zirpen und singen die Heuschrecken. Den Sound des Sommers müssen sie nun ohne die Mauersegler schaffen.
Künstlich verkompliziertes Technikgedöns
Herr Hoffmann und ich haben unsere Telekommunikationsverträge auf Vordermann gebracht. Es wäre eigentlich eine Geschichte fürs legendäre Techniktagebuch. Es ist einfach irrwitzig, wie aufwändig die Sicherstellung von geeigneten Tarifen, Verträgen und Geräten ist. Anstrengend.
Am Ende tauchte ich aus dem Strudel von Informationen und Gefühlen irgendwo zwischen gnadenloser Langeweile (mich interessiert so vieles an dieser Thematik nicht, mit dem ich mich dann doch zu beschäftigen habe) und nervöser Aufregung (bloß nichts falsch machen) auf und hatte ein neues Mobilgerät in der Hand. Das war mir daran das Wichtigste, denn auch nach der ausgesprochen freundlichen Gabe eines neueren Geräts im vergangenen Jahr stellte ich fest, dass ich in Sachen Kamera extrem viel bewegt hatte. Nachdem ich die übergriffigen KI-Funktionen etwas gezügelt hatte, starre ich nun enthusiasmiert auf die Bilder.
Es gab aber auch einen skurrilen Knackpunkt beim geschenkten Gerät: die Tastatur. „Lernen“ neue Geräte, wie man die Tastatur bedient? Falls das so ist, scheint eine Übergabe eines Gerätes, das ein Rechtshänder bedient hat, ab eine Linkshänderin Probleme zu machen, die ich nicht erwartet hätte. Das Tippen war auf jeden Fall überraschend und nervtötend fehleranfällig. Hirn und Hand verknoteten sich regelmäßig. Das ging so nicht. Auf dem neuen Gerät kann ich wieder gewohnt schnell und fehlerfrei tippen.
Mir kommt dieses Theater um Technik sehr künstlich aufgebauscht vor. Verwirrung erzeugt Einnahmen, vermute ich. Und womöglich setzt man darauf, dass ziemlich viele Menschen im Alltag überhaupt keine Lust haben, sich mit den Feinheiten und Begrifflichkeiten von Tarifen, Verträgen und Geräten zu befassen. Viele Menschen. Also, mindestens zwei.
Soweit der Exkurs in den Stand der Technik in diesem Haushalt. Ich zumindest bin dem Hinweis des Herr Telekommunikationsfachgeschäftberaters gefolgt und habe mir für in zwei Jahren einen Termin in den Kalender eingetragen. Damit ich nicht wieder in aller Bequemlichkeit auf einem zukünftig veralteten Mobilfunkvertrag herumfunke.
Alles bekloppt.
Ohnehin, denn es ist und bleibt das Jahr der Unbill. Manches lässt sich lösen. Anderes wird immer abstruser, weil zu viele Menschen sich für Lösungen nicht interessieren oder sich von der Nicht-Lösung emotional nähren.
Fluchtgruppe bei der Tour de France
Dieser Haushalt gibt sich in diesen Wochen recht lustvoll der großen Radrundfahrt durch Frankreich hin. Erst die Männer, nun die Frauen. Der Preis für den werbefreien Livestream der ARD ist das Wegatmen der Kommentatoren. Nach drei Wochen mit ausschließlich Männern an den Mikrofonen darf nun bei der Tour de France Femmes auch Hanka Kupfernagel mitsprechen. Es ist doch alles etwas quälend, denn sie spricht so vorsichtig.
Was ist da los? Florian Naß quatscht derweil durch, driftet immer wieder in den Männerradsport ab und meint, unentwegt betonen zu müssen, wie toll er den Frauenradsport findet. Ganz toll. Sowas von toll. Und sie werden auch jetzt (besser) bezahlt, also toll, das gönnt er ihnen!
Toll. Seit gestern gucke ich übrigens nicht mehr. Nicht mehr gucken, weil ich’s nicht mehr hören kann. Ganz toll.
Aber ich lese.
Nach dem herzzerreißend schönen Geschenk des Meeres (siehe Blogbeitrag zuvor) brauche ich den Kontrast und wende mich österreichischer Gegenwartsliteratur zu. Wild wuchern. Zwei Frauen am Berg, eine Art Kammerspiel in der Natur. Erst 30 Seiten gelesen, aber den Sound von Katharina Köller mag ich jetzt schon. War bei Erscheinen extrem präsent in diesem Internet, daher hatte ich es wie so oft bei diesen Phänomen erstmal weggelegt. Jetzt bin ich Teil der Welle, dä. Aber der Titel, das Buch – ich will es lesen.
Es gab einen schönen Spaziergang (hey, Anleger!?) mit Bierkauf in einem neuen Büdchen, das von zwei jungen Frauen mit viel Verve in einer Nachbarstraße eröffnet wurde: lui & flitze. Das Bier tranken wir dann auf der neuen Treppe unterm neuen Vordach des Arbeitsgerichtes.
Auch mal schön.
Nachbemerkung: Das Bier-Selfie indes ist ein selten gewordenes Sujet. Aus Gründen. Mittlerweile sehe ich den Alkoholkonsum und die Haltung unserer Gesellschaft zum Alkohol auch anders als noch vor ein paar Jahren. Ich trinke aber auch einfach weniger Alkohol, weil mein Körper mir vor einer Weile mitteilte, dass „wir“ das nicht mehr gut vertragen und wollen. Stelle daher erfreut fest, dass es auch aushäusig zunehmend nicht-alkoholische Getränke gibt, die nicht mördersüß schmecken müssen. Gestern aber gab’s das gute Flaschenbier.