„Die Gleichzeitigkeit der Dinge ist überwältigend.“
Diesen Satz schrieb ich in den ersten ein, zwei Wochen häufig, wenn Menschen nachfragten oder ich mitteilte, dass ich verschiedene Aktivitäten und Ämter für eine Weile nicht wahrnehmen werde. Dass meine Diabetes-Typ-1-Diagnose und der Tod meiner Mutter zusammenfielen, war ein gewaltiges Zusammentreffen. So fiel ich allerdings auch raus bei den Vorbereitungen für die Trauerfeier, die meine Nichte und mein Bruder übernahmen. Die familiären Umstände im heimischen Sauerland sind komplex, was die Abstimmung nicht unbedingt vereinfachte. Je nun.
Es geht also in dieser Folge nur am Rande um mein neues Leben mit Diabetes Typ 1. Obwohl der Todesfall dann doch eine Zäsur unter anderen, unter neuen Bedingungen darstellte. Mir war schlagartig bewusst geworden, dass mich ganz schwierige Muster nicht früher auf meinen Körper haben hören lassen. Und mir ist auch klar, dass diese mit familiärer Prägung zusammenhängen. Keine Schwäche zeigen, niemanden beunruhigen, anderen geht es doch viel schlechter, pass‘ auf dich auf, aber stell‘ dich auch nicht an. Schluss damit. (Dieser Entschluss braucht allerdings Übung, stelle ich heute fest.)
Wer also nur etwas über Diabetes lesen möchte, findet die erste Folge hier:
Mein neues Leben mit Diabetes (1): Ab in die Notaufnahme
(Die folgenden sind darin am Ende verlinkt.)
Als mich die Todesnachricht erreichte, war für mich sofort klar, dass ich nach Möglichkeit die Trauerrede schreiben und halten möchte. Mein Vater starb vor einigen Jahren und wir hatten einen externen Trauerredner im Einsatz. Es war ohne Frage nett und bemüht, aber ich weiß bis heute nicht, von wem er da eigentlich gesprochen hat. Dabei bin ich der Meinung, ihn gut instruiert zu haben. Er hatte von mir Informationen und eine gute Textvorlage erhalten – denn mein erster Impuls war, selbst zu sprechen. Aber was er daraus machte, konnte nur eine Interpretation sein. Die Erfahrung überzeugte mich davon, dass es beim Tod meiner Mutter anders sein sollte.
Meine Trauerrede sollte ein letztes Geschenk für sie sein.
Der Termin war so angesetzt, dass ich ihn nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus wahrnehmen konnte. Mit meinem Diabetesteam m Krankenhaus sprach ich darüber, wie ich das an diesem Tag am besten mache mit dem Insulinmanagement. Die Diabetesberaterin bereitete mich darauf vor, dass die Werte durch Stress und Trauer vielleicht höher als erwünscht sein werden. Auswärts etwas zu essen kam für mich nicht in Frage. Das würde mich noch sehr überfordern. Zumal ein Zusammensein nach der Trauerfeier für mich auch nicht vorstellbar war. Schluss sollte nicht nur mit meiner Unachtsamkeit mir selbst gegenüber sein, sondern ich würde auch nicht mehr beim Familiendrama mitmachen.
Es wurde dann also eine Reise ins Sauerland. Herrn Hoffmann chauffierte uns im Carsharing-Auto. Ich hatte vorher bestellte Blumen bei der bevorzugten Floristin abgeholt, ein grandioses Farbenmeer in den Lieblingsfarben meiner Mutter. Im Sauerland waren wir frühzeitig. Ich konnte in Ruhe meine Blutzuckerwerte messen, mein Insulin spritzen und eins der mitgeführten Käsebrote essen. Im Anschluss nochmal dasselbe. Wir machten einen ausgiebigen Spaziergang um die Talsperre, an der ich in meiner Kindheit so oft mit den Eltern war.
(Ich weiß inzwischen, dass meine Mutter vor ihrem Tod noch von meiner Diagnose erfahren hatte – Diabetes, welcher Typ, das kam ja erst nach ihrem Tod heraus. Den Kummer hätte ich ihr gern erspart. Aber ich kann es nicht ändern.)
Die Trauerfeier selbst war surreal.
Ich hatte mit Unterstützung einer Schwester die Musik vorbereitet. Da es keine kirchliche Trauerfeier war, sprach am Ende vor allem ich, von ein paar Sätzen der Bestatterin abgesehen. Mir war es ein Anliegen, dass wir uns noch einmal zusammen an meine Mutter und ihr Leben erinnerten, an ihre vielen Geschichten, die sie so gern und immer wieder erzählte, die traurigen aus ihrer Kindheit im und nach dem Zweiten Weltkrieg, die heiteren etwa von den vielen Feiern und Reisen in den Jahren, in denen meine und unsere Eltern mitten im Leben waren. Nun ja, zusammen. Alle Geschwister waren nicht anwesend. Aber in sich war auch das schlüssig.
Es war gut so.
Die Musik und die erinnerten Momente machten unsere Mutter noch einmal lebendig. Ein seltener Moment der Gemeinsamkeit entstand. Ich glaube, es hätte ihr gefallen. Ich teile meine Trauerrede hier, um einen Menschen auch hier zu ehren, der – wie wir alle – einzigartig war. Sie hinterlässt wie mein Vater eine Lücke. Und das ist nur gerecht.
Meine Trauerrede für Heimgund Ladwig, die am 31. August 2025 starb.
Wir verabschieden heute unsere Mutter, Oma, Omama, Freundin, Nachbarin – die Frau, die uns allen viel bedeutet hat. Sie hat uns auf dem Arm oder in den Armen gehalten, sie hat mit uns gelacht, geschimpft oder gezürnt.
Heimgund.
Ich sehe das kleine Mädchen vor mir. Von ihm hat sie oft erzählt. „Mutti erzählt wieder von früher“, hieß es dann. Ich erinnere mich an nicht wenige Winterabende auf der Küchenbank. Zum Abendbrot gab es Tee mit Rum für die Eltern. Heimgund schnitt sich das letzte bisschen Käse von der Rinde. Den liebte sie, auch oder vielleicht weil er sie an die Zeiten erinnerte. Dann sprach sie mit roten Wangen und Tränen in den Augen von den Zeiten, als ihre Mutter sie in die Nachbarschaft schickte, um etwas zum Essen zu erbetteln. Nie wurde der jüngere Bruder geschickt. In unserem Zuhause wurde nie von einer „guten alten Zeit“ gesprochen. Es war immer „die schlechte Zeit“.
Heimgund wurde in finstere Zeiten geboren. Im Jahr 1938 marschiert Hitler in Österreich ein, bedroht die Tschechoslowakei und ordnet den Bau des Westwalls an der Grenze zu Frankreich an. Das Nazi-Regime will Krieg und plant außerdem die Vernichtung eines Teils der Bevölkerung. Menschen verschwinden, viele davon für immer. Der Krieg prägt die ersten Lebensjahre von Heimgund. Der Vater weit weg im Krieg, die Mutter auf ihn wartend.
Oft erzählte sie mir von der Zeit, als der Krieg nach Deutschland kam, vom Angriff auf Remscheid, den sie von Bürhausen aus allzu gut beobachten konnte. Vom Besuch in Siegen, wo ihr Vater stationiert war, und sie bei einem Fliegerangriff um ihr Leben rannte. Am Ende hielt sie von ihrer geliebten Puppe nur noch einen Arm in der Hand.
1945 endete der Krieg mit der Kapitulation Deutschlands. Aber in Heimgund endete der Krieg nie wirklich. Die schwarze Pädagogik der Nationalsozialisten verfing bei den Menschen, die sich hart gegen andere machten. Auch bei ihren Eltern, die das Hitler-Regime bis zuletzt mit dem Satz „Es war nicht alles schlecht“ kommentierten. Mitgefühl hatte in der Volksseele nichts zu suchen. Emotionale Nähe störte bei der Errichtung eines Tausendjährigen Reiches. Und nach dem Krieg sprach man nicht über das, was war. Nicht über Taten. Nicht über Schuld. Nicht über Reue. Nicht über Gefühle. Schon gar nicht mit Kindern. Das hinterlässt Spuren.
Und doch! Trotzdem oder vielleicht deshalb: Die Lebensfreude war stark in Heimgund. Sie wuchs zu einer schönen jungen Frau heran. Sie liebte die Musik und die Filme der Nachkriegszeit. Für das Schwarzwaldmädel mit Sonja Ziemann und Rudolf Prack stapfte sie einige Kilometer weit durch den Wald ins Kino. In ihrer Erzählung klang es so, als habe der Schnee meterhoch gelegen und sie in dünnen Schuhen. Wer weiß, vielleicht war es genau so.
Es war die Zeit der Heimatfilme, als die Welt des Kinos unzerstörte Schönheit, prächtige Farben und große Gefühle ins vom Krieg zerstörte Deutschland brachte.
Als ich Kind war, liefen diese Filme an Sonntagnachmittagen im Fernsehen. Wir sahen sie zusammen. Ich mochte es, wie sehr ihr die Geschichten von der Landärztin, Sissi oder der Zürcher Verlobung ans Herz gingen. Immer lachte die Sonne vom Himmel mit dekorativen Wölkchen, die Menschen waren schmuck und hübsch, man freute sich viel, war heiter, die Geschichten gingen gut aus. Und am Ende summte man die Lieder mit. Wie dieses hier, das Erinnerungen an den duftenden Flieder auf Bürhausen wachruft:
Wenn der weiße Flieder wieder blüht
sing‘ ich dir mein schönstes Liebeslied
Immer, immer wieder
knie ich vor dir nieder
trink mit dir den Duft vom weißen Flieder
Und da kommt dann auch unser Vater, Opa und Opapa ins Spiel. Der Mann, mit dem Heimgund so viele intensive Jahrzehnte verbringen würde.
Sie trafen sich eigentlich recht spät, oder? 24 Jahre alt waren sie, als sie im Juli 1962 heirateten.
Da hat Heimgund schon zehn Jahre lang gearbeitet. Heimgunds Eltern hatten entschieden, dass sie mit 14 Jahren die Schule verließ. Sie musste in die Lehre. Für ein Mädchen lohne sich mehr nicht. Für den Bruder galten andere Regeln: Er durfte weiterlernen und wurde trotz (vor anderen verheimlichten) Scheitern im Abitur zur Fachhochschule geschickt. Ein Stachel, der tief saß. Sie wäre so gern weiter in die Schule gegangen, wie sie oft erzählte.
Ich denke an ein altes Foto, das in der Zeit entstand, bevor sie Manfred kennengelernt hatte. Lässig, mit stolz erhobenem Kinn und im todschicken Kleid sitzt Heimgund in der Wiese, zieht mit großer Geste an einer Zigarette – und drei junge Männer um sie herum, alle ihr mit großem Interesse zugewandt. Eine schöne junge Frau mit schmaler Taille, glänzenden schwarzen Locken und verwegen blitzenden Märchenaugen. Eine Wucht! Farbenfrohe Kleider, die große Liebe zu Schuhen, der knallrote Lippenstift – ihr Leben lang hielt Heimgund auf sich. Sie war ein Anblick, an dem man nicht vorbei kam.
Unseren Vater muss der Donner gerührt haben, als er voller Pläne in die Amtsstube kam, um sich aus Kierspe zu verabschieden – und dann diese Erscheinung vor sich hatte. Kierspe kam ihm plötzlich wieder als ein sehr lebenswerter Ort vor. Er blieb. Ein schönes Paar waren die Beiden: strahlend und bereit, aus dem Leben das Bestmögliche herauszuschütteln. Womöglich verband die zwei Kriegskinder auch die Erfahrung der ständigen Konkurrenz mit jeweils einem Bruder und ein wenig liebevolles Elternhaus.
Aber vor allem war es ein Band der Liebe. Da wollten Zwei etwas miteinander erreichen! Es allen zeigen. Aufbruch lag in der Luft. Unser ehrgeiziger Vater sehnte sich nach beruflicher und gesellschaftlicher Anerkennung, unsere nicht weniger ehrgeizige Mutter nach einem Zuhause mit Kindern – und einem Hund, wie damals, als es die Dackel Susi und Bürschel und den Foxterrier Strolch in ihrem Kinderleben gab.
Sie packten das Leben fest entschlossen beim Wickel. Vielleicht wollten sie es nicht nur der Welt, sondern auch ihren Familien zeigen. Vier Kinder, ein Haus, der Garten, später der ersehnte Dackel. Sie stürzten sich ins Tun, waren bald schon durch die vielfältigen Aktivitäten unseres Vaters im Beruf, in der Politik und in Vereinen stadtbekannt. Kegelclub, Tennisklub, später Golfclub. Sie ließen es krachen.
Ich selbst habe all die rauschenden Feste und Feiern, ob geplant oder ungeplant, nicht mehr so mitbekommen wie meine älteren Geschwister. Aber Donnerwetter, konnten die Beiden feiern. Und auf Bürhausen feierten all die Freunde und Bekannten besonders gern, denn unsere Mutter sorgte für alle und alles, vom Schmücken über die Getränke bis zum Essen. Für große Runden kochte sie wie eine Weltmeisterin. Auch und gerade bei Familienfeiern ruhte sie nicht, bis nicht alle sich kaum mehr rühren konnten vor lauter Sattsein und Hochdietassen. Ich erinnere mich auch an Weihnachtsfeiern, wo alle Mann beschwipst zur Marschmusik unseres Oppas Polonaise durch die Zimmer machten.
Beinahe noch besser verstanden unsere Eltern sich aufs Reisen. Mit der Familie und Zipp und Zapp reisten wir allesamt zwei, manchmal sogar drei Wochen in den Bayrischen Wald, später ins sonnigere Kärnten. Wo unsere Eltern waren, waren sie schnell gesellschaftlicher Mittelpunkt. Langjährige Freundschaften entstanden an den Urlaubsorten. Ich erinnere mich an die vielen Wanderungen – und an lange Autofahrten, die Staus und die Jausen auf den Rastplätzen. Die Kühltasche voll mit belegten Broten, Landjägern, gekochten Eiern und Äpfeln. Das Auto voll bis unters Dach. Aber auf den Rückfahrten passten dann doch immer noch ein paar Kaninchen oder ein Kristallleuchter aus der Glasbläserei in Bodenmais auf die Knie.
Und später zog es Heimgund und Manfred in die weite Welt, von Europa nach Nordamerika und Nordafrika bis nach Dubai. Von ihren Abenteuern erzählte unsere Mutter für ihr Leben gern:
Von dem Moment in New York, als sie in einer Telefonzelle standen und auf der Straße eine Schießerei begann.
Von der Nacht, die sie in der Metrostation in Paris verbracht haben. Zack, waren die Türen zu. Und die Beiden sanken auf eine Bank, Heimgund in roten Sandaletten.
Dann, wie sie knapp dem Hurrikan Andrew entwischten, der auf den Süden der USA zustürmte.
Wie sie von der legendären Dubliners musikalisch in Irland begrüßt wurden.
Wie Heimgund auf dem Kamel in die Wüste ritt.
All die Golfplätze, die sie bespielten. Die luxuriösen Hotels, die großen Abendgesellschaften in piekfeiner Robe. Wie die Maus Frederik im Bilderbuch kehrte Heimgund nach Bürhausen zurück und war förmlich von Farben getränkt, von Sonne, von farbenprächtigen Blüten, von belebenden Begegnungen mit Einheimischen und anderen Reisenden und von exotischen Eindrücken.
Und wie sehr liebte sie Musik, mitreißende Melodien, zum Tanzen und Schwoofen, Kölner Karnevalslieder, große Gefühle und Klänge. Kein Wunder, dass sie Operette und Oper mochte. Wie die berühmte Arie Nessun dorma aus der Oper Turandot, gesungen von Luciano Pavarotti.
Niemand schläft!
Auch nicht du, oh Prinzessin,
In deinem kalten Raum.
Schau die Sterne, die beben
Vor Liebe und Hoffnung.
Mit der Zeit wurde ihre Welt enger. Über den Jahreswechsel nach Bayern, im Sommer nach Juist. Die Klangfarbe in WDR 4 wechselte von den geliebten Schlagern zu Pop und Rock – ein herber Verlust von musikalischer Heimat. Im Fernsehen, dem Fenster zur Welt, gab es immer mehr Krimis und noch mehr Verweise aufs Internet und die Mediatheken, kein World Wide Web für unsere Mutter, sondern eine Tür, die ihr vor der Nase zugeschlagen wurde.
Treu blieb sie dem Sport und fieberte mit, wie früher, wenn wir im Winter stundenlag in Wolldecken vorm Skispringen saßen, sie für uns Kinder Apfelsinen pellte und Nüsse knackte.
So gern schaute sie Filme mit Tieren, Dokumentationen über Tiere, Berichte aus Zoos, am liebsten über Elefanten, die Tiere, sie mindestens so sehr liebte wie die Dackel. Und wenn es dann noch Nachwuchs gab, gab es kein Halten mehr. Für alles, was klein war, schlug ihr Herz besonders. Klar, auch bei Menschen. War ein Baby da, war ihre Welt in Ordnung. Abfüttern, püngeln, schlafen legen, einkleiden: die Enkelkinder waren auf Bürhausen zuhause und willkommen. Dass sie ihre Urenkel noch miterleben durfte, erfüllte sie mit großem Glück.
Der große Schmerz, als Manfred starb, ihr Mann, mit dem sie so viel erlebt hatte, mit dem sie so viele Jahrzehnte verbunden war, mit dem sie nicht immer einer Meinung war, aber mit dem sie immer zusammenhielt.
Dass in unserer Familie schon länger eine Unwucht war und der Unfriede wuchs, ist bitter. Heimgund lässt ihre Familie an einem Punkt zurück, an dem wir wohl nicht mehr zueinander finden werden. Heute verabschieden wir uns aber gemeinsam von diesem Menschen voller Geschichten, voller Widersprüchlichkeit und voller guter Absichten: Omama. Oma. Mutti. Ich weiß, sie hat ihr Möglichstes getan. Wie wir alle. Manches gelingt. Manches scheitert. In einem Leben ist viel Platz für alles davon. Erst recht, wenn ein Mensch 87 Jahre alt wird, nach fast 60 Jahren den Lebenspartner verliert, sich fortan allein behaupten muss, die Lebenskraft nachlässt und die Welt immer unverständlicher wird.
Kaum etwas vermochte sie so sehr zu treffen, als ausgeschlossen zu werden. Das Gefühl, ungerecht oder unehrlich behandelt zu werden. Nicht selten traf sie ein unbedachter Satz ins Mark und verletzte sie tief. Das konnte sie nicht verzeihen.
Am Ende dürften wir alle dankbar sein, wenn andere mit uns nachsichtig und wohlwollend sind.
Es gäbe noch so viel von Heimgund zu erzählen. Ihre unermüdlich blühenden Orchideen auf der Fensterbank. Wie sie bei Eis und Schnee zum Vogelhäuschen schlitterte, um die Vögel mit Futter zu versorgen. Die Tupperdosen-Sammlung im Küchenschrank, die sie lange Jahre mit Essen füllte für alle, die es nötig hatten. Der prall gefüllte Gefrierschrank als das Vermächtnis Einer, die Hunger und Not kannte. Die weichen, warmen Mäntel und Schals, die sie trug. Ihr unverwechselbarer Duft nach feinen Cremes und kostbaren Parfums. Sie wird fehlen. Und das ist doch nur gerecht.
Ich danke meiner Mutter für all die Geschichten, die sie mir hinterließ und die ich mir gern immer und immer wieder von ihr erzählen ließ. Ein paar habe ich heute mit Euch geteilt. Vielleicht hättet Ihr andere ausgewählt. Vielleicht erinnert Ihr die Geschichten anders. Vielleicht hat sie Euch die Geschichten anders erzählt. Was uns eint: Jeden von uns verbindet eine Geschichte mit Heimgund, ob als Mutter, Schwiegermutter, Oma, Omama, Nachbarin, Weggefährtin.
Was bleibt? Sie liebte das Leben so sehr und verstand, es zu genießen. Das ist, was ich als ihr Geschenk an mich mitnehme. Die große Lust am Leben. Dein Leben ist nun gelebt, Mutti. Nicht nur mir gabst Du Zeilen mit, die wir im Falle Deines Todes aufgreifen sollten. Nach Hause zu Deinem Mann ginge es dann für Dich, sagtest Du. Nun geht Ihr zusammen die große Runde. Und vielleicht begleitet Euch ein Dackel dabei.
Die Zeilen sind aus einem Gedicht von Joseph von Eichendorff:
Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.
Lasst uns einen Moment schweigen und an Heimgund und unsere Geschichte mit ihr denken.
Zum Schluss nun ein Lied von André Rieu, dessen Musik und Auftritte Heimgund mit so viel Freude erfüllte. You raise me up. Als ich mal nachsah, worum es da eigentlich geht, mochte ich diese Zeilen sehr.
Wenn ich niedergeschlagen bin und meine Seele so müde;
Wenn Schwierigkeiten kommen und mein Herz belastet ist;
Dann bin ich still und warte hier in der Stille,
Bis du kommst und eine Weile bei mir sitzt.

				
				
				
				
				
				
				
				
				
				
				
				
Ach, Ach, liebe Wibke, ich bekomme all das jetzt erst mit und habe nach-gelesen, und wenn ich darf, nehme ich Dich digtal mal fest in den Arm.
Danke, dass ich daran teilhaben und diese wunderschöne Trauerrede lesen durfte. <3 Liebe Grüße.
Eine schöne Rede: Tief, besonnen, liebevoll und aufrecht.
Danke fürs Teilen auch der Trauerrede für Heimgund. Ich sehe viele Parallelen zu meiner Kindheit allerdings nach dem Krieg. 5 Kinder um den Esstisch immer mit langen Gesprächen, einer sehr lebhaften Mutter und der unausweichlichen Bitte: „Mutti, erzähl was von früher!“ Sie konnte erzählen und Geschichten in uns lebendig machen. Behalten Sie sie in guter Erinnerung und möge sie in Frieden ruhen.
Was für eine schöne Rede mit so vielen schöne Momenten eines prallen Lebens. <3