Dass der Urlaub tatsächlich erholsam war und mich quasi auf Betriebseinstellungen zurückgesetzt hat, stelle ich fest, wenn ich erstaunt neben dem laufenden Hamsterrad stehe und den passenden Moment suche, um dazu zu hoppsen.
Schrieb ich am Dienstag ins Internet, am zweiten Arbeitstag nach über drei Wochen Urlaub. Für alle anderen ging der Alltag weiter, während ich selbst eine herrlich luxuriöse Pause nahm und das Leben mal kommen ließ. Das Leben kam. Es macht auch vor einem Urlaub nicht Halt.
Aber da waren wir nach einer gemächlichen Reise mit Rädern und Zelt durch die östliche Wallonie und ein bisschen Rureifel schon wieder zu Hause, verbrachten Zeit im Garten und mit den unvorhergesehen und geplanten Familiendingen.
Den Sommerurlaub nicht erst im August oder im September anzutreten, bewährt sich meiner Ansicht nach. Die Stadt ist mit Beginn der Schulferien angenehm ruhig und weniger voll. Dadurch sind die Menschen etwas gelassener als sonst. Die Stadt ist leiser. Die Straßen sind leerer. Es stinkt weniger. Stimme und Kopf sind weniger belegt (lange Trockenheit plus Feinstaub ist eine fiese Mischung).
Über die Radreise schreibe ich demnächst in Ruhe.
Heute nahm ich mit Bonjour Wallonie eine Podcast-Episode darüber auf, bis zur Veröffentlichung (steht noch nicht ganz fest) denke ich noch ein bisschen über diese Tage im Nachbarland nach. Allein die Umstände mit der sehr unkomplizierten An- und Abreise, der Freiheit, die wir uns ließen und einem Präludium von einigen Tagen in Bad Kleingarten waren gute. Urlaub, Reisen und Erholung sind keine Zustände, die sich mit einem Schalter anknipsen lassen. Und selbst so brauchte es eine Weile, um im Urlaub anzukommen.
Mindestens genauso lange braucht es auch, um wieder im Alltag anzukommen, fürchte ich.
Es gibt auch einiges nachzulesen. Um noch beim Thema Wallonie zu bleiben: Ute war wie auch Anke im Rahmen von Pressereisen in unserer Lieblingsregion unterwegs. Raus in die Natur, mit Wandern und Paddeln, auf in die Gärten, rein zum Verkosten und Schmausen – die Einladungen von VisitWallonia leben auch von der innigen Zuneigung der Mitarbeiterinnen zu der von ihnen mit Herzblut vertretenen Region. Ich erlebe es nah mit, weil ich als freie Mitarbeiterin für den Tourismusverband tätig bin. Eine gute Sache, in so vielerlei Hinsicht.
In Bad Kleingarten derweil?
Dort wachsen und reifen nun die begehrten Sommergemüse heran: Zucchini, Bohnen, Tomaten, Basilikum, Gurken und Kürbis. Nachdem wir bisher schon Mairübchen, Blattkohl, Erbsen, Kartoffeln, Rettich, Kohlrabi, Mangold, Salate, Zwiebeln, Knoblauch, Radieschen, Melde und viele köstliche Kräuter verspeisen durften. Die Liste lässt sich noch um die ganzen essbaren Blumen und Wildkräuter ergänzen. Es ist erstaunlich, was es kulinarisch noch alles zu entdecken gilt.
Aber nicht nur für uns gibt es Nahrung für Leib und Seele: Dass wir den Garten nach der Übernahme im Juni 2023 einmal auf links gedreht und neu gestaltet und bepflanzt haben, macht sich deutlich bemerkbar. Wir sehen sehr viel mehr Insekten, besonders Wildbienen aller Größen, Käfer, Spinnen und Heuschrecken. Falter und – in diese Jahr auch – Vögel sind bedenklich wenige zu sehen und/oder zu hören.
Das Artensterben spielt in den Nachrichten selten eine Rolle, aber es hängt doch viel (auch für uns Menschen) daran. Im Kleingartenverein werden wir die Förderung von Artenvielfalt und die Biodiversität vorantreiben. Was sich allein in unserem Garten innerhalb recht kurzer Zeit zum Besseren hin verändert hat, macht Mut. Den braucht es gerade auch angesichts des allgemeinen Rückschritts auf politischer Ebene und einer krassen Medienkrise.
Das Lesen war gut.
Gelesen habe ich nicht so viel wie in Urlauben mit mehr Transportkapazitäten. Die Wahl der mitgenommen Bücher war eine gute.
Marlen Haushofer, Die Wand
Eins der Bücher ist ein oft gelesenes Lieblingsbuch. Das bleibt es auch noch, denn ich nahm auch bei diesem erneuten Lesen so viel für mich mit. Die Wand von Marlen Haushofer ist kein Buch, dass ich allen ans Herz legen würde. Man braucht eine gewisse innere Stabilität, um diese Geschichte auszuhalten. Aber ich konnte beim Radfahren viel über das Gelesene nachdenken und empfand das als höchst bereichernd.
Nein, den Film habe ich nicht gesehen. Ich plane auch nicht, mir die Verfilmung anzusehen. Ich finde es bei Büchern, die mir viel bedeuten, enorm schwierig, die Interpretation von jemand anderem an mich heranzulassen. Was zwischen einem Buch und mir als Leserin passiert, kann sehr privat sein. Da passen keine fremden Leute und ihre Vorstellung davon, wie ich das Buch zu verstehen habe, rein.
Ulrike Sterblich, Drifter
Ulrike Sterblichs Drifter kann ich hingegen leichten Herzens empfehlen: Wer mal wieder Lust hat auf ein richtig gut und fantasievoll erzähltes Buch ohne Autobiographisches oder schweren Familienschicksalen, ohne dass es banal oder blöd ist – Drifter macht einfach Spaß. Absurd, abgedreht, durchgeknallt, nicht unböse, aber nicht verbittert. Gute Unterhaltung, bei der es vermutlich hilft, einen Neunziger-Jahre-Hintergrund zu haben. Ich möchte nämlich behaupten, dass ich diese beiden schon etwas abgehangenen Männer mit nerdigen Spezialinteressen kenne. Ich habe vermutlich mit ihnen studiert, da können sie noch so erfunden sein.
Apropos erfunden: echte Fiktion abseits von Genre-Literatur! Lange nicht gelesen, dachte ich, als ich mich ins Buch stürzte. Stimmt vielleicht nicht, aber lange war nicht so klar, dass alles erfunden und fiktiv ist. Empfand ich als ungeheuer erholsam und vielleicht stand es auch deshalb auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis.
Natasha Pulley, Die verlorene Zukunft von Pepperharrow
Richtig gut erfunden und erzählt sind auch die Bücher von Natasha Pulley. Ihren Uhrmacher von der Filigree Street mochte ich sehr. Nun las ich vor und nach der Radreise Die verlorene Zukunft von Pepperharrow. Steampunk. Nicht mein Genre, aber Natasha Pulle ist eine brillante Autorin, die mir vermutlich alles erzählen kann. Sie hat einen sehr eigenen Sound, großartig ins Deutsche übertragen von Jochen Schwarzer. Ich hege große Sympathien für ihre Figuren, allen voran Keita Mori, der sich an die Zukunft erinnert, und Nathaniel Hawthorne, der als Synästhet Geräusche als Farben wahrnimmt.
Im Herbst erscheint ein neues Buch von ihr, was für mich Anlass war, mir das noch ungelesene Buch von ihr zu schnappen. Es war zu schwer zum Mitreisen, aber nach der Radreise war es kein Problem, wieder in die Geschichte einzusteigen.
Gehört: Melissa de Costa, Apfeltage
Für Hörbücher ist immer Platz, die Onleihe der Stadtbibliothek ist im Mobilgerät immer dabei. Meist höre ich immer und immer wieder dieselben Hörbücher, das hat etwas ungemein Beruhigendes. Bei Gelegenheit mache ich davon mal eine Liste. Während meines Urlaubs hörte ich Apfeltage von Melissa de Costa (aus dem Französischen von Nathalie Lemmens). Hätte ich das Buch im Buchladen gesehen, hätte ich es übersehen. Penguin schafft es oft, seine Bücher seltsam schlecht zu verpacken. Aber im Angebot der Onleihe suche ich mir raus, was gerade ausleihbar ist – und da zogen die Stichwörter Auvergne und Garten.
Eine junge Frau, ein schwerer Verlust, ein einsames Haus, eine Katze, der Gartenkalender einer längst Verstorbenen, Selbsttherapie durchs Gärtnern und Selbstfindung. Kein wirklich origineller Stoff, aber gut erzählt und von Luise Helm gut gelesen. Gefühlvoll, aber – kein Kitsch, da zögere ich gerade. Am Ende wird’s doch eher gefühlig. Ach, selbst wenn, ich mochte es ganz gern.
Es hat viel Spaß gemacht, euch beim Reisen und Radeln durch die von mir auch heiß geliebte Wallonie zu folgen. Und die Lektüre-Tipps lege ich mir mal auf Halde! Auf den Podcast bin ich natürlich sehr gespannt!