Als Social Web Ranger begleite ich Menschen und Unternehmen im digitalen Raum. Außerdem ist das Internet mein Großraumbüro. Ich selbst hege und pflege dort Projekte, die mir am Herzen liegen. Wie man Menschen für den digitalen Raum als selbstverständliche Erweiterung des Lebens interessieren oder gar begeistern kann, ist ein nicht unwesentlicher Teil meiner Arbeit.
Und zwar aus zwei Gründen: zum einen bereichern lustlose, uninspirierte und per Copy&Paste hingeworfene Inhalte das Internet nicht, sondern verstopfen es nur. Damit ist niemandem gedient, übrigens auch nicht dem Verfasser. Zum anderen werden netzpolitische Themen erst dann für den einzelnen relevant, wenn es um die Verteidigung eines geschätzten Raumes geht. Wenn einem die Kneipe nebenan nichts bedeutet, ist es einem wurscht, ob sie wegen Luxussanierung schließen muss. Ist es die Stammkneipe, sieht das schon ganz anders aus.
Nun rief die SPD zu einer Blogparade zu #digitalLEBEN auf. Kurz vor Einsendeschluß knöpfe ich mir mit der kleinen Anleihe in der Überschrift bei Mark Twain die zehn Fragen vor.
In einer digitalen Welt zu leben, bedeutet für mich…
… eine Erweiterung der Welt. Ich kann jederzeit Gedanken und Ideen veröffentlichen, mit Menschen sprechen und mich von den Ideen und Gedanken anderer inspirieren lassen. Ich kann mich so gut wie niemals zuvor über Themen und Ereignisse informieren. Die Menschen in der Welt werden für mich über die Masse hinaus sichtbar – was bereichernd sein kann, mitunter jedoch verstörend. Es bedeutet für mich aber auch, so nachvollziehbar und verfolgbar zu sein wie niemals zuvor. Das ist beunruhigend.
Mein Computer ist für mich…
… Werkzeugkasten, Hamsterrad, Spielekoffer und Quasselbude. Mal Verbündeter, mal nervtötender Kollege.
Wirklich gut! Die größte Chance durch die Digitalisierung ist…
… eine Neubewertung unseres gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Miteinanders. Das Internet macht vieles sichtbar, das bisher verborgen blieb: Missstände in der Welt werden ebenso sichtbar wie Missstände in der unmittelbaren Nachbarschaft. Schwierigkeiten in der Kommunikation und im Selbstverständnis von Menschen, Verbänden, Unternehmen, Parteien oder Staaten werden sichtbar. Als optimistischer Mensch neige ich eher Utopien als Dystopien zu und hoffe auf einen globalen Diskurs, den wir alle miteinander auf lokaler Ebene beginnen und weiterentwickeln können.
Bedrohlich! Wir müssen aufpassen, dass…
… die umstandslose Kriminalisierung des Bürgers nicht das Vertrauen in die Demokratie kostet. Wie Markus Beckedahl vor wenigen Tagen beim Social Community Day in Köln sagte (im Wortsinn): Wenn die Bürger das Interesse an Freiheit und Demokratie verlieren, ist die Demokratie in Gefahr. Wie schon oben erwähnt: man setzt sich nicht für etwas ein, das einem nichts bedeutet.
Die Digitalisierung verändert mein Leben durch…
… die Verbindung mit Menschen über ein geographisch, kollegial oder familiäres Umfeld hinaus, Menschen, die sich für ähnlich bekloppte Dinge interessieren wie ich, die mich ermutigen und mit denen ich zusammenarbeiten kann.
Chatten mit den Enkeln, Einkaufen per Mausklick, Arbeiten ohne feste Bürozeiten. Was bringt die Digitalisierung für Familien und Ältere?
Wir stehen alle vor denselben Herausforderungen – und Möglichkeiten. Von einer digitalen Gesellschaft sind wir weit entfernt. Ich kann wieder mal nur den Science-Fiction-Autor William Gibson zitieren, wonach die Zukunft zwar da, aber ungerecht verteilt ist. Letztlich ist es für jeden persönlich eine Frage der Haltung und der Sozialisation, ob man sich dafür entscheidet, Veränderungen ängstlich und ablehnend zu begegnen. Oder ob man sich Neuem mit Neugier und Aufgeschlossenheit zuwendet.
In diesem Spannungsfeld fanden bereits andere Medien- und Kulturrevolutionen statt. Es ist ein Prozess. Momentan sehe ich uns noch an dem Punkt, an dem Technik idealisiert und Kulturtechniken missachtet werden. Es scheint aber gerade zu kippen, wenn ich auf Veranstaltungen der letzten Wochen zurückblicke. Eine Werte- und Kulturdiskussion scheint sich aufzutun.
Programmieren in der Grundschule, das gesamte Faktenwissen der Welt in der Suchmaschine. Wie sollte Bildung der Zukunft aussehen?
Bildung ist keine Frage der Technologie. Statt dessen ist es an der Zeit, das Bildungssystem zu überdenken. Es entstand im 19. Jahrhundert unter völlig anderen Voraussetzungen. Eigentlich braucht unsere Gesellschaft gerade im Hinblick auf den Wandel in der Arbeitswelt, aber auch in der politischen Lage der Welt Menschen, die divergent und kreativ denken, die umsichtig sind und als Mensch souverän. Unser System zielt aber immer stärker auf die Dressur klagloser Arbeitsdrohnen ab, deren Funktion die unbedingte Funktionsfähigkeit ist. Das wird so aber nicht gehen.
An jedem Ort arbeiten können und ständig erreichbar sein. Was bedeutet das für Arbeit im Digitalen Zeitalter?
Nun ja, so wird es behauptet. Aber solange Internet außerhalb von Ballungsräumen eher Mangelware ist, sind wir noch weit von einem solchen Zustand entfernt. Es ist ein Lernprozess für alle Seiten, denke ich. Hier tritt nur zutage, was möglicherweise in Unternehmenskulturen schief hängt. Die Präsenzkultur in vielen Unternehmen ist absurd und in vielen Branchen unnötig. Wer seine Mitarbeiter fahrlässig und schlecht behandelt, wird auf Dauer verlieren. Hier braucht es einen angstfreien Austausch miteinander, was gutes und gesundes Arbeiten bedeutet und wie man gemeinsam so arbeiten kann, dass es allen Seiten zugute kommt. Ob der aber möglich ist? Ich habe meine Zweifel. Denn wer Macht hat, möchte sie in den seltensten Fällen abgeben. Hierfür braucht es vermutlich andere Strukturen.
Was müssen wir im digitalen Zeitalter tun, damit unsere Wirtschaft erfolgreich bleibt?
Tja. Ich bin momentan eher pessimistisch. Eine konservative Regierung ist naturgemäss nicht an Veränderungen interessiert. Das Internet wurde in den letzten zwanzig Jahren, als es begann, wirtschaftlich relevant zu werden, erfolgreich ausgesessen. Schnelles Internet als Teil einer intakten Infrastruktur zu begrreifen, wäre schon mal ein guter Schritt.
Die Digitalisierung schafft Chancen und birgt Risiken. Von der SPD erwarte ich, dass…
… sie nicht mehr der CDU um den Mund geht und nicht die bessere CDU sein will. Sondern dass sie wieder eine klare Haltung als sozialdemokratische Partei einnimmt. Es braucht Visionen – und kein fummeliges Klein-Klein. Hierfür wäre es schön, wenn auch die Machtverhältnisse innerhalb der Partei und die überkommene hierarchische Struktur hinterfragt würden. Ich weiß von sehr engagierten, klugen Menschen in der SPD, die aber wenig sichtbar sind. Warum eigentlich?
An der Führungsspitze glänzt die SPD mit digitalen Ignoranten. Ich wünsche mir selbst sehr, dass die SPD wieder eine Partei mit Rückgrat wird. Die Digitalisierung ist ein Anlaß, kein Grund, das eigene Verständnis von Bildung, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur neu zu bewerten und eine Utopie für Deutschland zu entwickeln – und zwar inklusive digitaler Raum. Es ist höchste Zeit.
Blogparade #DigitalLEBEN: akdigitalegesellschaft.de/2014/blogparade-zu-digitalleben

#DigitalLEBEN bedeutet auch, dass ich die Wahrnehmung meiner Person aktiv mitbestimme.
3 Kommentare