Wie bitte?!
Auf der Suche nach einem Satz, der angemessen beschreibt, dass ich wieder vermehrt ins Blog schreiben werde, bediente ich die Suchmaschine und gab „soll wieder selbstverständlich sein“. Schon der erste Treffer sitzt. Ich hieve mich also hinan und bewege mich mit seitwärts balancierenden ausgefahrenen Armen zurück ins alltägliche Bloggen. Oder Bloggen über Alltag? Wir werden sehen.
Wohlan.
Alles hängt mit allem zusammen und so ist die Frage, wo im Internet ich nun meine überschüssigen Gedankenfäden und die Dokumente meines Alltags hinlege, keine ganz banale. Vielleicht ist es endlich an der Zeit, die Bilder und Texte wieder nach Hause zu bringen. Zumal ich insgesamt weniger Ungewöhnliches erlebe, weniger zu behaupten und mitzuteilen habe. Das Alter, nehme ich an. Die Umstände. Die Weltlage. Vielleicht hat sich das Geschehen auch schlicht verlagert, an den Ort, der mein Leben in den letzten beiden Jahren doch deutlich verändert hat: Bad Kleingarten.
Keine halben Sachen
Seit rund vier Wochen bin ich 2. Vorsitzende im Kleingartenverein. Mir fällt es schwer, Dinge mal einfach so zu machen. Nun ja, von Bürokratie und Putzen vielleicht abgesehen. Aber ob es nun um Pferde und ums Reiten ging, um Social Media vor der krassen Kommerzialisierung, um Storytelling und Kreativität im Digitalen vor KI, ums Wandern und Radreisen, ums Kochen und die Erzeugung und Herkunft von Lebensmitteln oder eben jetzt ums ökologische Gärtnern, Naturgärten und den Schutz heimischer Natur – es geht nicht, ohne dass ich mich voll reinhänge und mich im Selbststudium lustvoll in die Themen fräse.
Nach Übernahme des Kleingartens ging’s rasch in die Fortbildung zur Fachberaterin für Kleingärten, in die Vernetzung mit Aktivist*innen zum Thema Naturgärten und naturnahem Gärtnern in Kleingärten und dann in den Vorstand. Es ist viel zu bewegen und zu gestalten, etwas, das mich magisch anzieht.
Ein Ausflug in die Vergangenheit
Am vergangenen Wochenende wurde das ganz konkret: Die Renovierung des Vereinsheims samt Umräumen und Neuordnung der Räume wurde die erste Teamaufgabe für das neue Vorstandsteam. Das gemeinsame Arbeiten und das Ergebnis werte ich als ermutigende Vorzeichen für unsere Vorstandsarbeit.
Für mich war es auch eine bemerkenswerte Reise in die Vergangenheit eines Vereins, der 1917 gegründet wurde. Dass mich ausgerechnet vor einigen Tagen eine Frage aus dem Kölner Stadtarchiv erreichte, ob sie Unterlagen aus dem Verein als Ergänzung zur Stadtgeschichte haben könnten, ist ein wunderbarer Zufall. Mein Herz höher schlagen ließen indes Relikte aus den vielen Jahrzehnten Büroarbeit in Form von historischen Etikettiergeräten, Schreibutensilien oder Notizbüchern.
Auch alte Katasterpläne fanden sich – da wird die Geschichte dieses Stück Kölns nochmal ganz anders sichtbar und führt auch tief in die autozentrierte Verkehrspolitik der 1960er und 1970er Jahre, als die Bundesautobahn A57 gebaut wurde – mitten durch die Kleingartenanlage. Das Rauschen von dort ist ein zuverlässiger Begleiter im Garten. Der Preis für ein Stück Grün in der Stadt.
Frohe Pfingsten, frohes Futtern
Am Pfingstmontag fand sich nach all dem Tun Zeit, um genüsslich im Garten zu sein und dort zu grillen. Im Kleingarten können wir sehr schön an unser jahrelanges mobiles Grillen und Kochen beim Zelten, im Park oder auf Radreisen anknüpfen. Das macht sich regelmäßig bemerkbar. Im Garten entwickelt sich durch vorhandene Kühlung, einen guten Grill und andere Annehmlichkeiten ein ausgesprochen schmackhaftes Essen in großer Gelassenheit. Inzwischen genügt ein Gang durch den Garten und schon ist die Salatschüssel voll.
Demnächst gibt es dann erste Kartoffeln und Erbsen aus eigenem Anbau, das Knoblauchfeld, in das wir im vergangenen Herbst über hundert Zehen gesteckt haben, wird uns hoffentlich viel Freude machen (Vampire gucken traurig) und wenn ich mir das frohgemute Wachstum von Zucchini, Bohnen und Tomaten ansehe – nun, mich stimmt das recht zuversichtlich, dass wir auch in diesem Jahr viel Gutes ernten werden. Manches will hingegen nicht so recht, ob Spinat oder Melonen. Es empfiehlt sich, möglichst vielfältig anzubauen. Dann ist immer etwas dabei, das die Bedingungen super findet, während anderes sich verweigert, mickert oder den plötzlichen Zelltod stirbt.
Ansonsten lese ich wieder.
Zwischenzeitlich war die Lektüre auf fachlich einschlägige Lektüre beschränkt. Aufgrund zu hoher Gedanken- und Gefühlsdichte durch familiäre und gesundheitliche Querelen fehlte mir eine Weile das Interesse an fiktiven Schicksalen. Doch momentan amüsiere ich mich gut bei einem wiederentdeckten Roman von 1935, Das Haus und seien Hüter von Ivy Compton-Burnett (aus dem Englischen von Gregor Hens). Sie schildet die quälend enge Welt der viktorianischen Zeit, in der ein sehr überschaubares Grüppchen Menschen ihr Leben in einem Dorf leben – und sich gegenseitig akribisch beobachten, zu allem ein Urteil bei der Hand haben und komplett ignorant ihren eigenen inneren Makeln gegenüber sind.
Eigentlich unerträglich, sind es doch die brillanten Dialoge und Sätze, die mich immer weiterlesen lassen. Ich schrieb bei Mastodon: Wasser predigen, Wein trinken. Wo sich Jane Austen noch zurücknahm und ihr Personal scharfsinnig, aber liebevoll beschrieb, hält sich Ivy Compton-Burnett nicht zurück.
Mein Dank an den Verlag, der einen selten treffenden Klappentext verfasst hat – war für mich Grund, das Buch zu kaufen. Mit Vorwort von Hilary Mantel, übrigens.
Ich hörte eine aufschlussreiche Folge des Podcasts Der Rest ist Geschichte mit einer Betrachtung, wie lange eigentlich über die Auswirkungen menschlichen Tuns auf das Klima gesprochen wird, wie und wo.
Ich las einen ausgezeichneten Artikel in der ZEIT über einen widerborstigen Menschen, der seine ausufernden Thuja-Hecken gegen die Stadt verteidigt: Hecke in Glinde – Was ist da im Busch? Ein Fall, der recht gut ein abnehmendes Verständnis für öffentlichen Raum und das Gemeinwohl aufzeigt. (Der Link ist ein Geschenklink, wobei ich nicht weiß, wie lange und wie oft der gültig ist.)
Liebe Wibke, wie spannend, die Zeitreise im Vereinsheim. Toll, dass du da jetzt mitgestalten wirst. Und großartige Idee, wieder mehr zu bloggen. Werde dich zum Vorbild nehmen. Und hier gerne immer wieder mitlesen. Die Alltagsgeschichten finde ich eh immer am Spannendsten und dann auch noch Lektüretipps, was will man mehr.
Ist ja auch schade, wenn alles in den verschiedensten Kanälen versickert. Ich finde selbst nichts wieder! Ja, und Alltag ist doch immer viel aufregender als vermeintlich aufregende Ereignisse. Gerade in Zeiten, in denen sich ziemlich viel Unschönes ereignet. Danke, liebe Anke!
Wie schön, dass Du wieder back to the roots und so. Ich kann seit dem 7. Oktober kaum noch schreiben. Vielleicht wäre das tatsächlich mal eine Idee, einfach nur über Alltag zu schreiben, denn das Schreiben an sich vermisse es schon sehr. Danke für den Tuja-Text! Sehr sehr großartig.
Oh ja, das wäre schön, Alltag kann heilsam sein und ich läse es gern. (Das mit dem 7. Oktober kann ich gut verstehen. Eine entsetzliche Zäsur.)
Liebe Wibke,
wie schön, dass du deinen Alltag schreibend aus seinem Alltag lockst. Freut mich – lesend – sehr.
Was mich wiederum freut! Danke, Nik, und auf bald beim Marktgang.
Freue mich darauf, wieder mehr auf deinem Blog zu lesen!
Juhu, danke Dir!