Ein Urlaub ist in Reichweite.
Das ist gut. Das ist aber auch jedes Mal kurios, weil sich unvermutet Ereignisse und Erledigungen einstellen, die diese voreilig erschlaffende Person in Bedrängnis bringen. Vom Wetter mal ganz abgesehen. Während alles inwändig maunzt, dass wir doch nun einfach nur eine Weile frei haben wollen. Ich schiebe und rücke, so dass dann hoffentlich am Ende doch alles passt.
Als unerwartet tückisch stellt sich der Beschluss heraus, doch erst einige Tage noch zuhause zu sein, bevor es mit Rädern und Zelt in die Wallonie geht. Es ist zu einfach, doch noch irgendwas reinzuschieben (oder vielmehr reinzulassen), was eigentlich nicht mehr in einen Urlaub gehört. Tja.
Eigentlich.
Eigentlich müsste ich – aber vor allem will ich Sachen packen und eine Weile raus aus allem. Das Jahr hatte bislang seine Tücken. Von so manchen davon kann ich nicht mal schreiben, weil andere Personen beteiligt sind und alles äußerst unschön ist. Anderes wiederum ist überwunden. Dass ich Anfang Januar eine Gebärmutterentfernung hatte, war eine Zäsur. Für den Körper ein tätlicher Angriff. Dass alles gutgemeint und notwendig war, fand er jetzt nicht so plausibel. Aber inzwischen fühle ich mich zwar noch außer Form, aber wiederhergestellt. Mein Körper und ich duzen uns wieder.
Mehr als eine Stockrose
Am vorletzten Wochenende erreichte mich die Nachricht vom Tod einer Frau, mit der ich über Jahre hinweg fern und freundlich im digitalen Dorf benachbart war. Wir sahen uns gegenseitig beim Tun zu, tauschten uns über das Gartentor aus, mochten und schätzten uns. Ich erzählte vor einigen Tagen diese Geschichte:
„Als wir vor zwei Jahren den Garten übernahmen, begann ich, zunehmend überschwänglich, in Social Media von ihm zu erzählen. Mich erreichte eines Tages ein Briefumschlag mit lieben Grüßen und einem Tütchen Samen von Stockrosen in Neuseeland. Bettina sendete sie uns. Sie hatte die Samen selbst gesammelt, als sie zum Rudern auf der anderen Seite dieses Planeten war. Sie meinte, es wäre doch schön, wenn eine neuseeländische Stockrose in Bad Kleingarten blühte.
So nah standen wir uns nicht, aber ich freute mich über diese nette Geste. Einige Zeit später erfuhr ich von Bettinas schwerer Erkrankung. Als sich in diesem Jahr eine stattliche Stockrosenrosette bildete, sendete ich Bettina ein Bild davon. Vor einer Woche zeigte sich die erste Blüte. Vor einer Woche erhielt ich die Nachricht, dass Bettina gestorben ist. Nun blüht die Stockrose in voller Pracht.
Ihr Leuchten wird dich hoffentlich erreichen, Bettina. Jede einzelne Blüte trägt deinen Namen.“
Leben im Mittelalter und Zustände der Gegenwart
Das Mittelalter übt auch auf mich eine große Faszination aus. Nun ja, Geschichte doch generell- wenn es nicht gerade in die Ur- und Frühgeschichte geht, da bleibe ich seltsam ungerührt. Doch schreibt Mittelalter irgendwohin und ich bin dabei. Seit ziemlich langer Zeit lese ich begeistert das hervorragende Buch Burgund von Bart van Loo (aus dem Niederländischen von Andreas Ecke).
Und dann teilte Maren Gottschalk, selbst eine tolle Autorin für das WDR ZeitZeichen, eine Sendung über die Kindheit im Mittelalter und Guibert von Nogent, dessen autobiografische Aufzeichnungen eine wichtige Forschungsquelle sind.
Dazu hörte ich dann gleich auch ein ZeitZeichen von Thomas Pfaff: Dunkles Mittelalter? Von wegen! So lebten wir 1224. Mein Hirn räkelt sich entzückt in die so angenehm fernen Zeiten, während es angeekelt vor der politischen und gesellschaftlichen Gegenwart zurückzuckt. Immerhin konnte ich mich gestern einer gewissen Genugtuung hingeben angesichts der schlappen Paradenparodie in Washington.
Wichtiger sind der offenbar nun doch sichtbarer werdende Widerstand in den USA. Die fulminanten Demonstrationen unter dem Namen NoKings geben Hoffnung, dass die Demokratie in den Vereinigten Staaten noch nicht völlig aufgegeben wurde. Brandgefährlich ist die Lage dennoch, wovon auch der politisch motivierte Mord an einer Politikerin und ihrem Ehemann zeugt.
Was Schönes: eine Handvoll Garten für zuhause
Seitdem wir den Kleingarten haben, gibt es in unserer Wohnung regelmäßig frische Blumen. Zumindest in den Monaten, in denen es genügend Blühendes gibt. In erster Linie sind die Pflanzen für die Tiere im Garten da – und für schön, na klar. Ab etwa Mitte, Ende April dreht der Garten auf. Nun, Mitte Juni, greife ich nur mal kurz hinein ins Geblüh und habe schon die Handvoll Garten, die mit nach Hause reist. Immer sonntags, so hat es sich bewährt, auch, um den Start in eine neue Woche zu markieren – und zu verschönern.
Frage mich gerade, ob das schon als Ritual gilt. Das Thema leitet uns Herbergsmütter bei Instagram gerade durch den Monat.
Passend zum Blumenpflücken lese ich in einem Buch über Slow Flowers, Nachhaltige Schnittblumen. Ich hatte so ziemlich aufgehört, in Supermärkten, Discountern und komisch riechenden Blumenläden zu kaufen. Ich las von der hohen Pestizidbelastung, sah eine Doku über die zumeist Frauen, die in fernen Ländern Blumen für unsere Geschäfte pflücken und denen förmlich die Hände abfaulen. Inhaber*innen von Blumengeschäften erkranken überdurchschnittlich oft an Krebs. Das alles sind die Preise dafür, dass es die immergleichen Blumen in immergleicher Qualität das ganze Jahr über gibt. Irgendwas, eher allzu Vieles läuft falsch.
Die Slow-Flower-Bewegung setzt dagegen und die Autorin Margrit De Colle beschreibt das richtig gut. Mein Vorsatz: Menschen öfter mal ein Sträußchen Blumen aus Bad Kleingarten mitbringen. Garantiert bio.
Was ich gerade lese
Ich habe immer mehrere Bücher im Anbruch und lese gerade ein Buch, das schon im letzten Jahr seinen Weg zu mir fand. Ein Wiedersehen mit Keita Mori und Thaniel aus einem meiner Lieblingsbücher, Der Uhrmacher in der Filigree Street. Der Eine erinnert sich an die Zukunft, der Andere ist ein vielfach begabter Synästhet. Steampunk ist eigentlich nicht ganz mein Genre, aber Natasha Pulley ist einfach eine großartige Erzählerin mit ganz eigenem Sound. Demnächst kommt ein neues Buch von ihr. Davor muss ich dieses noch rasch lesen, Die verlorene Zukunft von Pepperharrow. Aus dem Englischen von Jochen Schwarzer.
(Ich fürchte, dass es doch recht lange bei mir herumlag, weil ich mich ein bisschen vor dem schwimmbadgrünen Cover ekele.)
Nun stellt sich jedoch die Frage nach der Urlaubslektüre. Reisen mit dem Rad bedeutet auch immer, dass die Kiste mit der Reiselektüre auf ein bis zwei Bücher in der Radtasche reduziert wird. Nein, ein Tolino ist für mich keine Option. Und die strenge Auswahl ist auch eine schöne Herausforderung.
Welches es am Ende in die Radtasche schafft? Das ist doch ein perfekter Cliffhanger!
💚
Hab eine gute Reise! Wir treffen uns dann mal im Mittelalter 😎
Au ja! Merci und auf bald. :-*