Sollen die Museen (und andere Kultureinrichtungen) wieder öffnen?
Diese Frage stellt Jörn Brunotte in seiner Blogparade #closedoropen, zu der er mich einlud. In diesen Tagen öffnen viele Museen, Bibliotheken und andere Kultureinrichtungen wieder für Besucher:innen. Ich verfolge das mit gemischten Gefühlen. Hier und da gibt es von kundiger Seite Hoffnung, dass das Virus erfolgreich bekämpft werden könnte. Momentan sind auch die Zahlen für Deutschland erfreulich. Ich traue dem Braten indes nicht recht. Andererseits gibt es augenblicklich mehr Gründe für Öffnungen als dagegen.
Man muss da ja auch deutlich differenzieren: Die Zahl der Museen mit überschaubaren Besuchermengen dürfte weitaus größer sein als die, die sich vor Besucher:innen kaum retten können. In Freilichtmuseen lassen sich die Regeln für Abstand besser einhalten als in einem Museum in einem mittelaltlichen Gemäuer mit vielen Besuchergruppen und Familien. Dasselbe gilt für öffentliche Bibliotheken: Manche sind in sehr beengten Räumen und können den notwendigen Abstand kaum gewährleisten. Andere verfügen über genügend Platz und können anders agieren.
Ich beneide niemanden, der in dieser immer noch unwägbaren Lage Entscheidungen treffen muss, die verantwortungsvoll nicht nur für die Besucher:innen getroffen werden müssen, sondern auch für die Mitarbeiter:innen. Nicht nur wegen der oben genannten unterschiedlichen Voraussetzungen finde ich also eine Lösung für alle schwierig.
Wie ist es mit mir als potentieller Besucherin?
Für mich wird Social Distancing im Sinne von physischer Distanz und Kontaktvermeidung nach wie vor meinen Alltag und meine Arbeit bestimmen. Eine Einladung zu einem Bloggertreffen in einem Museum werde ich absagen, weil ich derzeit noch möglichst Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln vermeide. Und mich lieber in vertrauten Konstellationen aufhalte, also da, wo ohnehin Vertrauen ineinander besteht. Ich möchte mich darauf verlassen können, dass alle Vorsichtsmaßnahmen gut organisiert sind, denn jede Versammlung mit weitestgehend unbekannten Menschen in Innenräumen bleibt ein Risiko. Nun handhabt das jeder anders. Wer derzeit im Einzelhandel oder in der Gastronomie arbeitet, wird mich vielleicht belächeln. Ein wenig tue ich es auch. Mal sehen, wie ich in zwei, drei Wochen darüber denke.
Was ich mir mir wünsche, ist eine Aufwertung der digitalen Besucher:innen. Immer noch gilt die Zahl der Besucher:innen vor Ort als wesentliche Kennzahl für Erfolg oder Misserfolg von Museen und Bibliotheken. Von den öffentlichen Bibliotheken weiß ich, dass die digitalen Angebote von vielen Nutzer:innnen erst während der Coronakrise entdeckt wurden. Darunter waren sowohl langjährige Bibliotheksnutzer:innen wie auch neue, die durch Social Media und die Berichterstattung der Medien aufmerksam wurden.
Und auch wenn in Workshops und Coachings immer als eins der erklärten Ziele genannt wurde, Menschen zum Ort hinzubewegen, so wurde doch in diesen Wochen auch eine Erkenntnis deutlich: Es wird immer digitale Nutzer:innen geben, die den Ort nicht brauchen und diesen auch nicht aufsuchen werden. Unbedingt lesenswert dazu, was Stephan Schwering dazu gebloggt hat. Er ist Leiter der Zentralbibliothek der Stadtbüchereien Düsseldorf und einer der umtriebigsten und experimentierfreudigsten Geister der deutschen Bibliothekslandschaft.
Die meisten Museen werde ich wohl niemals vor Ort besuchen.
Doch es gibt die Chance, mich als digitale Besucherin zu gewinnen. Ich bin es bereits, etwa beim Museum Burg Posterstein. Das möchte ich sogar sehr gern besuchen und die Chancen stehen nicht schlecht. Ob ich allerdings mal das Museum of English Rural Life besuchen werde? Ich folge ihm beglückt bei Twitter, ebenso dem Museum of London. Beiden Museen fühle ich mich verbunden. Sie sind Teil meiner digitalen Dorfgemeinschaft. Ich lasse mich gern ein auf das, was sie zu erzählen und zu zeigen haben.Ob ich sie jemals besuchen werde? Unwahrscheinlich.
Nach anfänglicher Euphorie flaute das digitale Engagement vieler Kultureinrichtungen doch ab. Manches wetzte sich auch ab, weil es sich nicht entwickelte oder ein zunächst erfolgreiches Format in die Belanglosigkeit durchgenudelt wurde. Ich denke dabei immer an Musik: Eine Sequenz eines Stückes, ein Paukenschlag an der rechten Stelle oder ein Gitarrenriff, kann einen glücklich machen. Besteht ein Stück nur noch aus diesem Paukenschlag oder Gitarrenriff – ich denke, dazu muss ich gar nicht mehr sagen.
Das Internet als sozialer Raum?
Mich trug anfangs die Hoffnung, dass mehr Kultureinrichtungen das Internet als sozialen Raum entdecken würden, auch in der Verbindung miteinander. Es ist doch immer noch selten, dass man gemeinsam etwas auf die Beine stellt oder beim Aufgreifen einer Idee auf die Aktivitäten der anderen verweist.
Daher erlaube ich mir, die Frage falsch zu verstehen: Sollen die Museen (und andere Kultureinrichtungen) wieder öffnen? Ja, unbedingt. Im Digitalen mögen sie, bitte, wieder und sich weiter öffnen, sich nicht wieder auf PR und Marketing beschränken, sondern den digitalen Besucher:innen wertschätzen. So würden auch möglicherweise digitale Eintrittsgelder oder Abo-Modelle denkbar. Die Autorin und Künstlerin Petra van Cronenburg bloggte über ihre Erfahrungen mit virtuellen Lesungen während der Corona-Pandemie. Ihr Beitrag liefert auch gute Erkenntnisse, die sich auch auf Angebote etwa zur Kunstvermittlung übertragen ließen.
P.S. Zu Schauspiel- und Konzerthäusern sowie anderen Orten kultureller Veranstaltungen kann ich übrigens wenig beitragen. Hier sei als gutes Beispiel das Residenztheater hervorgehoben, die mich mit einem (verabredeten) Anruf eines der Ensemblemitglieder beglückte. #Resiruftan hieß die Aktion. Eine halbe Stunde wunderbares Gespräch mit Franziska Hackl und zwei Gedichte von Kurt Tucholsky. Wunderbar!