Ich trete vor die Tür und über mir zirpen die Mauersegler.
Kaum ein Geräusch symbolisiert für mich mehr den Sommer. Und sommerwarm ist es auch. In kurzen Buxen und Sandalen begebe ich mich auf meinen Gang ins Heimbüro. Und fühle mein Knie. Hm. Nachdem ich mir vor einer Weile beim Ausklicken das Knie am Rahmen des Fahrrads gestoßen hatte, macht das Knie mir Kummer. Nächsten Dienstag werde ich dann erfahren, ob es nur der Bluterguss ist. Oder ob das MRT blöde Sachen zeigt. Einstweilen bin ich zur Schonung abkommandiert. Kein Wandern, kein ausgiebiges Radfahren, kein Reiten. Mich stimmt das alles andere als fröhlich. Aber hilft ja nichts.
Das Licht der Platanen weist eher auf August hin.
Der Sommer ist weit vorangeschritten, auch in diesem Jahr. Auf einer Bank ist das Seelenleben der Nachbarschaft ausgebreitet. Immerhin hilft ein Blick auf die Bücherstapel, mich von dem vielen Müll abzulenken. Liebe deine Stadt? Nach jedem Feiertag erstickt das Viertel, nun, wohl die ganze Stadt, im Müll. Auffällig finde ich die herumstehenden leeren Sekt- und Weinflaschen. Was daran so schwer sein soll, den selbstproduzierten Müll einfach wieder mitzunehmen, werde ich wohl nie verstehen.
Am Ende der Allee sitzt ein Mann auf einer Bank und teilt sich sein Brötchen kameradschaftlich mit seinem Dackel.
Zirp, zirp, ein Geschwader der Mauersegler braust über uns hinweg. Sie fliegen tief heute. Dabei soll es erst am Wochenende gewittern. Ringsum ohnehin viel Gezwitscher. Bei uns im Hinterhof ist es dieser Tage schon wieder recht still. Zuverlässig bringen die Elstern in jedem Frühjahr den Nachwuchs der Meisen und Amseln um. Zack. Stille. Es ist zum Heulen. Einzig die Tauben gurren noch.
Am Anleger ist alles ruhig. In meinem Rücken rauscht der Verkehr. Vater Rhein leuchtet blau und strömt in Richtung Nordsee. In einem Container lauern Barken im Halteverbot.
Am Hotel Viktoria fällt mir heute der rote Teppich zum Nebengebäude auf.
Dort ist der Aufgang zu einem Langzeitappartment, erfahre ich. Und da sie dies „Residenz“ nennen, gibt es natürlich auch einen roten Teppich. Mit dem Hotel Viktoria verbindet mich eine Geschichte: Als ich damals beim O’Reilly Verlag anfing zu arbeiten, wurde ich dort einquartiert. Das war noch meinem Umzug nach Köln. Es fand eine Teamtagung statt und ich konnte schon vor offiziellem Arbeitsbeginn daran teilnehmen und alle kennenlernen. Ich weiß noch, dass wir kegelten. Ich finde Kegeln wirklich sehr schlimm und kann das überhaupt nicht. Aber meine neuen Kolleg:innen mochte ich auf Anhieb. Mein Zimmer im Hotel Viktoria (ein Altbau) war auf halber Treppe, ein skurriler Raum.
Wenige Meter weiter finde ich eine prächtige Distel, an der ein Marienkäfer hängt.
Auf der Hundewiese ist wenig los.
Ein großer Windhund steht hechelnd neben seinem Herrchen im Schatten eines Baumes. Ein Baumschatten weiter hechelt ein gefleckter Kumpel. Keiner von beiden kann sich entschließen, den eigenen Schatten zu verlassen. Und so passiert außer halbentschlossen lockenden Blicken nichts. Vermutlich hat man das Toben schon hinter sich und ist sich nun selbst genug.
Ich gehe zum Rosengarten, der förmlich explodiert ist. Etwas benebelt vom Rosenduft wechsele ich einige Worte mit dem Hüter des Rosengartens, der gerade vom Wässern der Pflanzen kommt. Ich klage ihm mein Leid wegen des Knies. Mit einigen aufmunternden Worten in der Tasche schreite ich die Rosen ab und lobe sie für ihr So-Sein.
Kurz vorm Heimbüro winke ich noch Frau Agnes zu, die ich heute Abend wiedersehen werde. Dann nehmen wir in der Kammer über der Orgel eine neue Folge von Agnes trifft auf. Es wird im Podcast um Normalität gehen.
Wohlan!
Noch ein Gedicht?
Bei all dem Sommer drumherum hupft mir auch wieder der Ringelnatz im Kopf herum:
Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß,
Das durch den sonnigen Himmel schreitet.
Und schmücke den Hut, der dich begleitet,
Mit einem grünen Reis.
Verstecke dich faul in die Fülle der Gräser.
Weil’s wohltut, weil’s frommt.
Und bist du ein Mundharmonikabläser
Und hast eine bei dir,
dann spiel, was dir kommt.
Und lass deine Melodien lenken
Von dem freigegebenen Wolkengezupf.
Vergiss dich.
Es soll dein Denken
Nicht weiter reichen als ein Grashüpferhupf.