Kulturhunger.
Da ist er. Nach Monaten coronabedingter Abstinenz und Selbstgenügsamkeit regte sich in mir der Wunsch, endlich mal wieder ein Museum zu betreten. Meine Gedanken, meine Gefühle in die Auseinandersetzung mit Kunst zu schicken.
Vor nicht allzu langer Zeit schrieb ich von meinem Wunsch, auch über die Coronakrise hinaus als digitale Besucherin einen Wert zu haben. Nun sind viele Museen wieder geöffnet. Und ich will. Ich will hin! Eine kleinere Einrichtung sollte es sein, die vermutlich wenig besucht ist. Wo also Abstände gut einzuhalten sind. Eine, die mit dem Fahrrad erreichbar ist. Eine, die aus unerfindlichen Gründen bislang unbesucht blieb.
Wir machten uns mit den Rädern auf ins benachbarte Leverkusen, zum Museum Morsbroich. Das Städtische Museum der Stadt Leverkusten sorgte zuletzt 2016 für Aufsehen. Unfreiwillig, denn ein Wirtschaftsprüfer schlug die Schließung des Hauses sowie die Auflösung der Kunstsammlung vor. Der Museumsverein Morsbroich hatte Mitel zur Rettung gesammelt und mithilfe eines ausführlichen Konzepts konnten wohl auch Fördermittel beim Bund erreicht werden. Googelt man nach den neuesten Meldungen* zum Museum, so scheint sich manches noch finden zu müssen, auch personell.
Ein Haus in Bewegung. Zeit, es kennenzulernen.
Ich war ein wenig aufgeregt vor dem Besuch. Ich hatte mein Vorhaben getwittert, woraufhin Menschen antworten und von ihren durchweg erfreulichen Museumsbesuchen erzählten. Anderswo meinte ich gelesen zu haben, dass gerade das mit Abstand und Maskendisziplin schwierig ist. Nun, nicht nur in Museen. Momentan habe ich den Eindruck, dass ein Teil der Bevölkerung den Thrill der Ansteckungsgefahr sucht und fahrlässig bis gezielt die Infektionszahlen hochzutreiben wünscht. Anders kann ich mir das nicht erklären. Ob man also auch im Museum denselben Sozialstress hat wie dieser Tage im Supermarkt?
Mit diesen Gedanken fuhren wir über schöne Wege von Köln aus nach Leverkusen. Mir fiel auf, dass es sie wirklich gibt: Fahrbare Radwege. Mitunter stückchenweise, dann wieder schlecht ausgewiesen, im Nichts endend und durch kaum abgesenkte Bürgersteige erreichbar. Aber vielleicht tut sich doch etwas. Ein wenig.
Indes: Hinweisschilder von den Radwegen zum Museum fehlen. Ein einziges sah ich. Vorm Museum gibt es dann nichts, um Räder ordentlich anzuschließen. Es gibt zwar einen Parkplatz, aber nicht mal eine Stellfläche für Fahrräder. Ein Schwung gelangweilter Mieträder steht auf einem Stückchen Rasen, das ist alles. Das wäre wohl das Erste, das ich ändern würde. Denn Museum und Schloß Morsbroich könnte ist ein feines Ausflugsziel für die steigende Anzahl von Radreisenen und Radausflügler:innen sein. Inzwischen gibt es nämlich Stellflächen – das Museum hat nach meinem Blogbeitrag nachgebessert. Danke!
Das Arreal bietet sich geradezu als Kulturraststätte an. Leider ist momentan keine Gastronomie in Betrieb. Hinterm Museum sieht man, dass da wohl mal ein Biergarten war. Ein Museumsbesuch gewinnt immer sehr, wenn man auch Kaffee und Kuchen oder ein Kaltgetränk nebst Suppe oder ein Bütterken bekommt.
Doch wie war denn nun der Besuch?
Mit einfachen Mitteln war hier alles gut organisiert: Direkt am Eingang gab es nicht nur die Möglichkeit, sich die Hände zu desinfizieren. Wir wurden auch gleich vom Museumspersonal angehalten, dies zu tun. Anwesenheitszettelchen ausfüllen. Es gab ausreichend desinfizierte Kugelschreiber dafür. Ein Manko: Es gibt momentan keine Möglichkeit für kontaktloses Zahlen des Eintrittgeldes. Nur Barzahlung ist möglich.
Die beiden Mitarbeiterinnen am Eingang waren ebenso freundlich bemüht wie das Personal in den Museumsräumen. Wir wurden in die Wegführung eingewiesen: Blaue Pfeile wiesen den Weg, ein Pfeil zeigte zuverlässig den Weg zum Ausgang. An einer Stelle ist es wohl gebäudebedingt etwas unübersichtlich. Hier wird nett der Weg gewiesen und die Tür geöffnet. Hiermit vermeidet man, dass zig fremde Hände eine Türklinke bedienen.
Was mir gut gefiel: Es gibt Raum und Zeit für die Kunst. Ich mochte den Text, der uns im ersten Raum die augenblickliche Situation und Gedankenlage des Museum vermittelte. Und die Einladung und den Wunsch, sich eben diesen Raum und diese Zeit für die Ausstellung zu nehmen.
Das blieb nicht bei einer theoretischen Einladung: In jedem Raum gibt es aktuell ein Kunstwerk. Davor stehen in fast allen Räumen liebevoll passend zum Kunstwerk ausgewählte Sitzgelegenheiten, vom Hocker über Stuhl und Bank bis zum Sofa. Das nahm mich doch sehr ein für dieses Museum, das sichtlich mit Bordmitteln seinen Betrieb bestreitet. Kuratiert ist diese Ausstellung von Fritz Emslander, dem kommissarischen Leiter von Museum Morsbroich.
1:1 Begegnung mit Originalen
So lautet übrigens der Titel der Ausstellung. Ja, ich stolperte in diesem Text über die Vereinnahmung durch das leidige Wir: „Wenn wir nach Monaten des Entzugs (über den zahlreiche digitale Angebote nur mühsam hinwegtrösten konnten) endlich wieder das Museum betreten, spätestens dann wird uns klar, was uns gefehlt hat: das Original mit seiner unvergleichlichen Ausstrahlung, in seinem einzigartigen Hier und Jetzt!” Da gehe ich bekanntermaßen nur bedingt mit, denn ich wünsche mir digitale Angebote. Ich, die zumeist digitale Besucherin. Aber nun kam ich ins Museum, weil mir tatsächlich die Begegnung mit Kunst im Rahmen eines Museums fehlte.
Ich zucke bei der Betonung der unvergleichlichen Ausstrahlung eines Originals zusammen, weil diese Phrase oft so überstrapaziert wird in Abgrenzung zum Digitalen. Aber ich war entschlossen, mir hier ein für mich gutes Erlebnis mitzunehmen. Mein erstes Mal Museum nach Monaten. Da werde ich mich nicht ärgern. So. Und später, als ich bei Instagram von meinem Besuch erzählte, entdeckte ich den Instagramaccount des Museums. Der im Gegensatz zu vielen Accounts von Kultureinrichtungen sogar gehütet wird: Das Museum spricht mit uns!
Die Ausstellung selbst mochte ich, gerade weil sie einen nicht mit Masse erschlägt. Ich stellte erfreut fest, dass offenbar darauf geachtet wurde, Kunst gleichermaßen von Männern wie von Frauen auszustellen.
Und jetzt?
Die nächste Radtour mit einem Besuch von kleineren Kultureinrichtungen der Region ist bereits geplant. So wie die #CoronaWanderreisen mich zu Fuß mehr mit der Stadt verbanden, in der ich nun schon seit zwanzig Jahren lebe, so werden mich wohl nun Kulturradtouren enger in Kontakt mit dem kulturellen Umland von Köln bringen.
#KulturAlltagCorona …
… ist eine Blogparade von Damian Kaufmann (Zeilenabstand.net – Kultur & Digitales) und dem Kulturverein Kultur hoch N. Sie sammelt unterschiedlichste Perspektiven zur Kultur im Alltag in der Pandemie: „Mitmachen können alle, deren Alltag von Kultur geprägt ist.” Zufällig passt mein Beitrag über diesen Museumsbesuch recht gut hinein.
Abschließend leite ich aus diesem Besuch und meinen Alltagserfahrungen generell ab für alle, die möchten, dass Menschen ihre Kultureinrichtung (oder auch ihren Laden) besuchen:
- Ich möchte das Gefühl haben, dass Ihr die Sache im Griff habt: Klare Beschilderungen, geschultes und vorbildlich handelndes Personal, Platz vor Auslastung.
- Ich möchte auch das Gefühl haben, dass sich alle Mitarbeiter:innen sicher und wohl fühlen.
- Ich möchte den Eindruck haben, dass Ihr die Pandemie ernst nehmt. Sollte ich mitbekommen, dass Ihr Corona für eine ulkige Weltverschwörung haltet, nicht schlimmer als eine Grippe oder etwas, das man lässig ignorieren kann: Ich bin sofort weg und werde nicht wiederkommen. Und ich werde das entsprechend kommunizieren.
- Ich möchte nicht, dass Ihr tut, als sei alles wieder normal. Das ist es nicht. Wer weiß, ob es das jemals sein wird. Und wer weiß schon, was damit überhaupt gemeint ist. Ich weiß es zu schätzen, wenn Ihr vor Ort darauf reagiert und einen Umgang damit findet. Sprecht mit Euren Besucher:innen. Ja, auch und gerade im digitalen Raum!
- Und damit sind wir wieder bei den digitalen Besucher:innen: Ich werde kein Museum besuchen, dass nicht auf der Website klar und eindeutig erklärt, welche Maßnahmen für die Gesundheit und Sicherheit aller vor Ort ergriffen werden.
*Da zeigt sich übrigens der Nachteil, wenn man kein Blog hat: Ich fand vor allem Artikel hinter einer Bezahlschranke. Was momentan Stand der Dinge im Museum ist, wie das Konzept aussieht, wie sich der Alltag und die Zukunft des Museums gestaltet, bleibt somit verborgen. Man ist abhängig von dem, was andere schreiben. Und zum Pressebereich kommt man nur mit Login.
Vielen Dank für diesen schönen Reisebericht – und auch für den Tipp:
Die Haustechnik wird gleich Radständer in der Nähe des Museumsshops stellen. (Ist uns irgendwie „durchgegangen“.)
Bedauerlicherweise ist die Gastronomie ist zur Zeit noch nicht wieder vermietet, aber unsere Gäste können im historischen Jagdzimmer für 2,- € unseren wirklich ausgesucht guten Kaffee (auch Cappuccino & Espresso) genießen. Natürlich auch Mineralwasser, Cola, Orangensaft, damit die Rück-oder Weiterreise wohlgestimmt in Angriff genommen werden kann.
Vielen Dank für diesen schönen Reisebericht – und auch für den Tipp:
Die Haustechnik wird gleich Radständer in die Nähe des Museumsshops stellen. (Ist uns irgendwie „durchgegangen“.)
Bedauerlicherweise ist die Gastronomie zur Zeit noch nicht wieder vermietet, aber unsere Gäste können im historischen Jagdzimmer für 2,- € unseren wirklich ausgesucht guten Kaffee (auch Cappuccino & Espresso) genießen. Natürlich auch Mineralwasser, Cola, Orangensaft, damit die Rück-oder Weiterreise wohlgestimmt in Angriff genommen werden kann.