Es gab eine ungeplante Pause.
Vom Gehen. Vom Schreiben. Ein Knie, dann ein Infekt, da gab es nur Gehen in Gedanken, und das wiederum zog eher kleine Kreise. Hinzu kamen noch Hiobsbotschaften wegen der im März so wohlfeil angekündigten Soforthilfe für Solo-Selbstständige. Die Politik wurde gelobt. Unbürkratisch wurde Geld gewährt. Ein Kredit solle das nicht sein, Sorgen solle man sich nicht machen. Schön und gut. Nun will sie aber nicht einsehen, dass Solo-Selbstständige und Kleinunternehmer:innen gar nicht von Luft und Liebe leben, sondern für ihren Lebensunterhalt arbeiten. Dä. Nun, das letzte Hühnchen ist noch nicht gerupft. Dennoch kann einen das ganz schön zermürben.
Worüber man nicht schreiben kann, darüber muss man sprechen
Der Gang ins Heimbüro glich also eher einem Abschreiten immergleicher Kreise in einem Gefängnishof. Selbst Lesen hilft nur bedingt, wenn das Leben klemmt. Wie sehr die innere Bewegung in mir von der äußeren abhängt, stellte ich fest, als wir vorletzte Woche in ein Wochenende mit Rad und Zelt ins Ahrtal aufbrachen. Der überschwere Kopf fand wieder in Einklang mit dem Rest vom Menschen. Und seitdem flöppt wieder Sauerstoff durchs große Ganze. Passenderweise sprechen Peter Otten und ich in der neuen Folge unseres Podcasts über Hoffnung. Uns beiden wurde in diesem Gespräch wieder bewusst, von welchem Wert Geschichten für uns sind.
Zwischendurch gab es aber beim Gedankenschach einen schönen Spaziergang in die Geschichte des sozialen Internets und die Kultur der Digitalität mit Dejan und Philipp. Mag sein, dass Nostalgie bei diesem Blick in die Vergangenheit mitschwingt. Aber um sich zu vergegenwärtigen, warum manches in Social Media schiefläuft und wie man Zukünfte gestalten kann, hilft es, sich mit den Anfängen des Ganzen zu beschäftigen.
Gelesen habe ich.
Selbst wenn ich oben schrieb, dass das Lesen nur bedingt half in der Nicht-Bewegung. Herausgezupft hatte ich mir Bücher, von denen ich mir unkomplizierte Lektüre versprach.
Colin Dexters Erstling mit seinem aus Funk und Fernsehen bekannten Inspector Morse war sperriger als zunächst angenommen. Das Buch erschien erstmals 1975. Natürlich merkt man ihm an, dass sich die Welt seitdem gedreht hat. Aber dennoch vielleicht nicht das letzte Buch aus dieser Reihe, das ich lesen werde. Zumal ich ein Faible für die Bücher aus dem Unionsverlag habe. Die Bücher sind schön und sorgfältig gemacht. Und im Programm findet man eine große kulturelle Vielfalt.
Nachdem mir Martina Borgers Wir holen alles nach so gut gefallen hatte, las ich dann eins ihrer früheren Bücher, das sie zusammen mit Maria Elisabeth Straub geschrieben hatte. Wie erwartet fluffig geschrieben. Eins störte mich indes: Die Sicht eines Jeden und einer Jeden, die den Sommer mit Emma verbachte, wurde geschildert. Einzig Emmas Sicht bleibt den Lesenden verborgen. Am Ende fand ich das seltsam unfair.
Was ich euch nicht erzählte von Celeste Ng lag schon eine geraume Weile hier. Das Buch ging mir sehr nah. Und nach. Zwei Menschen gründen eine Familie, der eine beseelt davon, einer von vielen zu werden, die andere davon, die eine unter vielen zu sein. Das geht nicht gut, natürlich nicht. Und dann geraten Kinder dazwischen, Alltagsrassismus kommt noch hinzu. Und das Buch lässt einen voller Bedauern zurück. Aber ja, es ist ein gutes Buch, lesenswert!
Dror Mishanis ungewöhnlicher Krimi Drei wird hochgelobt, ist ein Bestseller, ich habe ihn flott durchgelesen und das war’s dann auch. Mit manchen Büchern geht es mir wie mit Filmen: Ich werde beim Lesen oder Gucken den Gedanken nicht los, dass einen da jemand richtig beeindrucken möchte. Was dazu führt, dass ich mich nicht gut einlassen kann, sondern eher beobachte, wie das denn nun angestellt wird. Aber guckt Euch um, es gibt viele begeisterte Leser:innen. Mitunter ist es die eigene Gefühls- und Gedankenlage, die zwischen einem selbst und einem Buch steht.
Ein Journal des Alltags in Bildern
Als ich unfreiwillig in Stillstand versetzt wurde, sortierte ich die mit Fotos prall gefüllten Speichermedien: Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen. Gehen in Gedanken, quasi. Tausende von Fotos habe ich gelöscht, die anderen immerhin grob sortiert. Unzählige Bilder von Wanderungen, Stadterkundungen und Reisen. Viel Alltag. Den mag ich. Ich mag, wenn wenig bis nichts passiert. Das ist etwas Gutes und Wertvolles.
Es gibt ja die bilderlosen Jahre, als Fotografieren noch aufwändiger war. Man musste Filme kaufen, den Fotoapparat nicht vergessen, irgendwann den Film vollmachen, ihn entwickeln lassen. Um dann zu bemerken, dass Dies und Das nicht stimmte, Bilder nichts geworden sind und man doch eigentlich, aber hat man nicht, vorbei. Mir mangelte es stets an der nötigen Begeisterung für Technik, um mich mit der analogen Fotografie auseinanderzusetzen.
Seitdem ich einfach drauflosfotografieren kann und das Ergebnis direkt sehe und korrigieren kann, bereitet mir das Fotografieren viel Vergnügen. Immer mehr sogar. Die Stimmung eines Ortes aufgreifen, eines Moments, meine Stimmung. Eine Art Fototagebuch. Ich sehe ein Bild und bin gleich wieder auf vertrauten Wegen. Und so ist mein Instagram eben genau das für mich: Ein Journal des Alltäglichen. Ich füttere es vor allem deshalb, um hin und wieder zu begreifen, wo die Zeit geblieben ist. Ich fülle es mit dem, an das ich mich erinnern möchte. Dass auch andere es sehen und vielleicht auch gern mitlesen, ist ein erfreulicher Nebenaspekt.
Reisen nicht nur in Gedanken
Romy Mlinzk hatte in den Wochen, als Reisen unmöglich schien und wir beinahe alle zuhause blieben, das #ReiseninGedankenABC gestartet. Woche für Woche erinnern sich Menschen an Orte, Länder und Gegenden. Ich mag das, selbst wenn mir nicht zu jedem Buchstaben etwas einfällt. Ohnehin wurde schon recht bald deutlich, dass ich nur von Eifel und Frankreich erzählen kann. Mit einer Prise Ostfriesland und Flandern. Und den #CoronaWanderreisen. Ich reise einfach noch nicht lange, weil ich in früheren Zeiten jede freie Minute in Reitställen verbrachte. Und wenn ich reise, geht das immer nur stückchenweise, nur langsam. Mit den genannten Ländern und Regionen bin ich noch längst nicht durch. Da bleibt vorerst kein Raum für irgendwas anderes.
Bald kommen neue Bilder hinzu.
Eine Radreise steht an. In den letzten Jahren sind wir mit dem Auto in den Urlaub gefahren. Die Fahrräder hatten wir mitgenommen. Was großartig war, weil wir vom Zeltplatz aus mit den Rädern die Gegend erkunden konnten und nicht ständig im Auto saßen. Nun gibt es in Frankreich viele Gegenden, die ohne Auto schwer zu erreichen sind. Will man nach Südfrankreich, ins struppige Hinterland, ist das zwar nicht unmöglich, aber dieses Hin- und Hertingeln über Land und im Land, das über Tage gemächliche Ankommen und Heimfahren, das diese Reisen so besonders macht, das ist mit der Bahn nicht möglich. Die Mitnahme von Rädern in der Bahn ist in Frankreich leider eher schwieriger als einfacher geworden, will man nicht unbedingt mit den Regionalbahnen reisen.
Aber angesichts der Klimakrise kamen mir doch im letzten Jahr große Zweifel daran, ein paar Tausend Kilometer mit dem Auto zu fahren, um dann das Zelt aufzuschlagen. Nun geht es also in diesem Jahr nur mit gepackten Rädern nach Frankreich. Ohne Auto. Ein paar Kilometer Regionalbahn. Mit prüfendem Blick auf die Entwicklung der Corona-Lage. Kontaktarm mit Rad und Zelt zu reisen, beständig an der frischen Luft und mit einigermaßen kurzen Wegen nach Hause scheint mir dies gerade eine besonders geeignete Art des Reisens zu sein. Selbst wenn die Tatsache des Reisens an sich schon ein ungeheurer Luxus ist. Wir wagen ihn. Und ich hoffe das Beste.
Zunächst einmal liegen Zeit und Land vor uns.