„Kommt nicht!”
Zu jeder anderen Zeit könnte man diese Botschaft des Tourismusverbands der Eifel für einen Aprilscherz halten. Aber die Wanderparkplätze und die oft recht schmalen Wanderwege sind voll. Abstand halten ist kaum möglich, so groß das Verständnis ist, dass die Menschen insbesondere aus den engen Städten raus wollen. Zumal das Wetter zum Wandern und Draußensein einläd. Doch in dieser Coronakrise gilt, dass alle möglichst zuhause bleiben sollen. Was nicht Stubenarrest bedeutet. Statt in die Eifel, ins Bergische Land oder ins Siegtal begeben wir uns nun hier vor Ort auf #CoronaWanderreisen.
Seit fast zwanzig Jahren lebe ich in Köln. Und auch wenn ich viel zu Fuß gehe: Es gibt Stadtteile, die ich bisher noch nie besucht oder gar gestreift habe. Manche kenne ich vom Durchfahren mit Bahn, Auto oder Rad. Andere kenne ich nur vom Hörensagen. Es gibt also etwas zu entdecken. Und Wege zu beschreiten, die wenig andere Menschen gehen. Während es sich am Rhein knubbelt, schnüren wir durch stille Straßen und wenig frequentierte Wege.
Riehl.
Natürlich kenne ich Riehl. Aber, so stellte ich fest, doch nur einen Bruchteil davon. Bis zum Zoo, in die Flora, die Riehlaue am Rhein, das alte Schwimmbad, das schon lange Lieblingsbiergarten ist. Nun, Zoo und Flora sind geschlossen. Der Biergarten auch. Doch es gibt ein Riehl dahinter! Wir gehen durch ein Wohnviertel mit prächtigen Häusern – und Autos, Autos, Autos. Bestimmt wäre es eine prachtvolle Wohngegend, aber sie ist absurd zugeparkt. Zwei Ecken weiter dann eine richtig schöne Siedlung, die Naumannsiedlung, zwischen 1927 und 1929 erbaut. Auch in Riehl zu finden: St. Engelbert, eine im besten Sinne moderne Kirche nach einem Entwurf von Domenikus Böhm. Modern? Erbaut wurde sie zwischen 1930 und 1932. Schon bemerkenswert, wie zeitlos und zugleich gegenwärtig sowohl Siedlung als auch Kirche wirken.
Weidenpesch. Nippes. Mauenheim.
Nachbarschaft. Dass es dort aber auch viel Unentdecktes gibt, war durchaus eine Überraschung. Als wir irgendwo bei der Galopprennbahn abbogen und unsere Räder parkten, war uns noch nicht klar, dass wir nur wenige Schritte von einer urbanen Wildnis entfernt sind. Stillgelegte Industriebrachen an den Gleisen der Güterzüge. Improvisiert zurechtgezimmerte Buden im zugewucherten Gelände. Spuren von Verwüstung. Ein aufgegebenes Bahngebäude, aus dem über die Gleise stumpfer Techno schallt. Um ein Gebüsch herum ein weißer, protziger Mercedes, der gerade von einem weißen Lieferwagen wegfährt. Dessen Tür schließt sich. Wir gehen betont harmlos weiter. Man weiß es ja nicht. Eine Bahnschranke im Nirgendwo. Trampelpfade, doch wer trampelte sie? Und wofür?
Und mittendrin Sportanlagen im Dornröschenschlaf. Leere, stille Felder, die sonst Fußball und Tennis dienen. Eine Halfpipe. Eine Tartanbahn im Sonnenschein. Melancholie umgibt sie.
Von Bocklemünd nach Roggendorf/Thenhoven.
Der Kölnpfad führt auf 171 Kilometern um Köln herum. Wir gehen die dritte Etappe durch Gegenden, die wir sonst häufig mit den Rädern befahren. Der Weg beginnt an einer Haltestelle der Stadtbahn, führt über eine Kreuzung, dann, ein schmaler Pfad – und wir stehen mitten im Wald. Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen, die Stadt vor lauter Straßen nicht sehen. Daran denke ich, als wir 15 Kilometer weit durch bekannte und doch fremde Stadtteile reisen. Zeitweise zermürbt uns das Rauschen der Autobahn. Es erscheint noch absonderlicher als sonst, wenn man nicht weit entfernt durch Wälder und an Wiesen entlang geht.
Wohin uns die #CoronaWanderreisen noch führen werden?
Vielleicht auf eine weitere Etappe des Kölnpfades, vielleicht in weitere Stadtteile und Nachbarschaften. Zollstock, wünscht sich der Mitwanderer. Wohlan. Zu erforschen und zu entdecken gibt es offenkundig genug.