Ich trete vor die Tür und lande in Watte.
Die Luft ist feucht und warm. Ein Anflug des typischen Kölner Eintopfwetters. Während ich meinen immer gleichen Weg ins Heimbüro antrete, denke ich über all unsere Pläne für dieses Jahr nach: Zelten, Wandern, Radtouren, eine lange Radreise durch Frankreich. Tja. Pustekuchen. Es gibt nun schlicht Wichtigeres auf der Welt.
Der Gedanke ans Zelten kommt aber nicht von ungefähr: Immer, wenn ich meine Softshell anziehe, begebe ich mich innerlich ins Zelt. Es wäre auch astreines Zeltwetter. Für mich gibt es nichts Schöneres, als im Frühling morgens inmitten des Vogelgebrülls im Zelt aufzuwachen, mich nochmal umzudrehen, vielleicht ein paar Seiten zu lesen und mich auf den ersten Kaffee vorm Zelt zu freuen.
Klar, am Zelten scheiden sich die Geister. Für mich gibt es kaum Schöneres. Es sei denn, es regnet über mehrere Tage hinweg aus Eimern oder eins der südfranzösischen Unwetter tobt ums Zelt herum … Ich schweife ab. Ein wenig liegt das auch am #ReisenInGedankenABC von Romy Mlinzk aka @snoopsmaus. Unterm Hashtag findet man bei Instagram und Twitter zahlreiche Erinnerungen an Reisen. Richtig schön, gerade dann, wenn man mal eine Pause von Informationen und Nachrichten zu COVID-19 braucht.
Bitte berühren
Nein. Bettelampeln ignoriere ich inzwischen. Ich gehe bei Rot, wenn’s sein muss. Und kein kleines Gemüse in Schtweite ist. Keine Lust, die vielbetatschten Bettelampelberührflächen anzufassen.
Meine Reise, nein, mein Gang ins Heimbüro führt mich zuverlässig zum Vater Rhein. Er führt wenig Wasser. Es ist einfach schon wieder zu trocken. Auch die Frühlingswiesen bräunen sich verdächtig. Ist ja nicht so, als mache der Klimawandel uns zuliebe wegen des Coronavirus eine Pause. Bin ich etwa betrübter Stimmung? Eigentlich nicht. Ich stelle nur fest. Zugleich freue ich mich über die grünen Schirme, die die Kastanien über uns aufspannen, die Düfte nach Blühen und Wachsen und Werden in der Luft, das noch etwas zaghafte Summen der Insekten und die eifrig flatternden und rufenden Vögel.
Irgendwo gibt es immer einen Platz zum Andocken.
Die Uhr am Oberlandesgericht hat Tag der offenen Tür. Der Baum in einer Seitenstraße sieht aus, als sei er geradewegs aus Bruchtal hierhergereist. Die Scheinblüten eines Hartriegels. erfahre ich bei meiner pflanzenkundigen Gemeinde bei Twitter. Der Kölner Zoo ist geschlossen, aber die Löwen finden einen Weg auf die Straße.
Auf der Hundewiese sitzt ein Boxer.
Die Inhaberin flötet. Der Boxer sitzt. Er macht ein trauriges Gesicht. Er wartet. Die Inhaberin flötet. Der Boxer sitzt. Er wartet auf seine Freunde. Doch niemand kommt. Die Inhaberin flötet. Der Boxer legt sich kurz hin. Die Inhaberin flötet. Und flötet. Der Boxer rafft sich schwer seufzend auf und watschelt auf sie zu. Sie tätschelt ihn.
Am anderen Ende der Wiese rühren Menschen die Luft um. Sie malen Zeichen mit ihrem Arm, der andere Arm stützt die Hüfte. Das ist Tai Chi, oder? Ich schwitze bei ihrem Anblick, denn sie sind angezogen wie für den Winter. Das Besenfahrzeug, nein, wie heißt es, die Kehrmaschine der Stadt fährt an ihnen vorbei. Ein surrealer Moment. Außer Sichtweite mache ich auch großräumige, geheimnisvoll wirkende Dinge mit meinen Armen. Fühlt sich gut an.
Ich stoße auf das Zeugnis eines Malheurs.
Allmählich komme ich mir vor wie in einem Episodenfilm. Die Szenen sausen in meinem innerlichen Freilichttheater an mir vorbei: Der traurige Boxer, der Baum aus Bruchtal, die magischen Gesten auf der Wiese, eine Kreidelöwe hopst auf dem Pflaster davon, die Kehrmaschine, der Topf Eimer, aus dem ein Mensch entfleucht. Vielleicht ist doch ungewöhnlich viel Sauerstoff in der Kölner Luft.
Aber, hier, die Stiefmütterchen, die aussehen, als habe jemand Taschentücher ins Beet geworfen! Ich nehme mir eine Karte aus der Box am Tor der Agneskirche und werde meiner Frau Mutter schreiben. Wohlan!
Aaaaw der Kartenzaun, wie nett. Und auch sonst: Danke für Deine Worte, die mich immerzu berühren und mir Anker sind.
Liebe Wibke,
Danke für die liebevolle Erwähnung meines kleinen Projekts. <3
Alles Gute.
Du schreibst sooo schön. Danke!
Darüber freue ich mich sehr, danke, Eva!