Ich trete vor meinen Schreibtisch und seufze tief.
Ich lebe mein Leben in Stapeln. Es hilft nichts, damit zu hadern. Es mag die Menschen mit Sternzeichen Ablage und Aszendent Ordner geben. Und die, die eher einen tanzenden Stern gebären*, als ihre Zeit mit dem Sortieren und Ablegen von Dokumenten zu verbringen. Doch dann kommen Zeiten (und Mails der Steuerberaterin), da hilft alles Kokettieren mit dem Chaos nichts. Also rückte ich den Stapeln zu Leibe, legte ab, warf weg, fand Gesuchtes.
Und ich fand Ungesuchtes. Diese glitzernden Momente, in denen ich auf Erinnerungen stoße, auf Sätze, auf Sammelstücke, die sämtliche Sterne in mir zum Tanzen bringen.
Der Haiku, den ich schrieb, als wir Herbergsmütter im letzten Herbst in einem Eifeldorf namens Simonskall dem Dreiklang von Kunst, Leben und Utopie auf den Grund gingen.
Ein Gedicht von Maruša Krese, der ZEIT entrissen, das ich seit einem Jahrzehnt immer wieder in die Hand nehme. Es berührt mich tief, immer noch.
Ein ausgedruckter Tweet von @menschette. Als die Stadtbibliothek Köln damals zu einem Abend zwischen Medientheorie und Taubenscheiße lud, durfte jede:r Besucher:in einen Tweet aus einem Beutel ziehen. Ich zog den Tweet einer, die ich besonders schätze. Ein Tweet, der mich zuverlässig erheitert und in dem tiefe Weisheit steckt.
Alle zwei Jahre findet in Köln ein famoses Illustratoren-Festival statt. Ich weiß, dass ich die 8 Arten, über den Winter zu kommen von einem Illustrator erhielt, mit dem ich noch über Dies und Das sprach. Wir folgten uns eine Weile auf Instagram, aber der Kontakt verlor sich. Ich erinnere mich leider nicht mehr an seinen Namen und das handgeklebte Büchlein ist unsigniert. Dä.
Nikolaus Gansterers Objects Yet To Become entdeckte ich im Marta Herford. Jedes einzelne Object erzeugt einen anderen inneren Klang. Von der Begegnung mit dem östereichischen Künstler erzählt Kuratorin Friederike Fast im Blog: #MartaonTour in Nizza.
Und dann finde ich noch diese kleine Sekundenskizze von einer Bahnfahrt. Die Skizze erinnert mich daran, dass ich mein Kritzeln irgendwann verloren habe. Ob ich es eines Tages wiederfinde?
Poetisiert euch. Erst letzte Woche traf ich Andrea Schmidt vom Verlagshaus Berlin. Noch immer funkelt es warm in mir, wenn ich daran denke. Fünfzehn Jahre alt wird der Verlag in diesem Jahr. Hipp hipp hurra!
Gönnt Euch doch das Lyrik-Abo zum Verlagsgeburtstag. Oder eines der Lyrikpakete. Ich zitiere:
es geht um uns.
es geht um widerstände.
um worte. veränderung.
um rückgewinnung.
lyrik als modus.
poetisiert euch.
Und so flog gestern einiges in Ordner, anderes hinfort. Und nebenbei ging ich zwischen wiedergefundenen Sätzen und Versatzstücken umher und trat erfrischt hervor.
*„Man muss noch Chaos in sich haben,
um einen tanzenden Stern gebären zu können.”
Friedrich Nitzsche, Also sprach Zarathustra