Alles anders.
Ich breche mit der schönen Tradition eines Jahresrückblicks in Büchern, weil ich wohl kaum in einem Jahr so wenig gelesen habe wie in diesem. Dä.
Nach einem Jahresrückblick ist mir dennoch. Dieses Genre gilt als verschrien. Ich für meinen Teil lese selbst gern Jahresrückblicke andernorts und blicke auch gern auf die zurückliegende Zeit zurück. Genau für solche Unternehmungen füttere ich meine Social-Media-Accounts, denn in erster Linie geht es mir dort darum, gute oder bemerkenswerte Momente für mich zu dokumentieren. All das sind Antworten auf die Frage:
Wo ist die Zeit hin?
Ach, so waren die Tage, dann gab es an diesem Abend solch ein wundervolles Licht, hier kochten wir schön etwas zusammen, dort fand die Seele Ruhe im Grünen. Ein gutes Jahr ist, wenn nicht viel passiert. Wenn der Alltag wie ein Waldbach friedlich vor sich hingluckert und durch lichten Schatten plätschert. Dieses Jahr war nicht arm an Ereignissen. Dennoch war es ein gutes Jahr inmitten einer zusehends unerfreulichen Weltlage.
Jeder Tag zählt.
Das Leben ist kurz, die Welt ist schön, der Mensch ist ein Teil der Natur, Vielfalt macht lebendig, Geld ist nur eine Erfindung. Würden Politik und Mitmenschen das beherzigen, wie viel wäre gewonnen.
Soweit das Wort zum Sonntag. Kommen wir zum Alltag. Die Zitate sind weitestgehend die Texte, die ich unterm Hashtag #monatsjournal an der Monatskante bei Instagram hinterließ.
Januar
Wir verbrachten den Jahreswechsel in Köln und liefen an Neujahr einige Kilometer durch die Stadt nach Bad Kleingarten und zurück, auf der Karriereleiter mit Liebe zur Hoffnung, entlang der Geister der letzten, gegenwärtigen und künftigen Tage. Und das Jahr hat ’ne neue Nummer.
Dass 2025 kein gewöhnliches Jahr für mich sein würde, stand schon seit einer Weile fest. Am 6. Januar stand mir eine Operation bevor: Wegen eines größenwahnsinnigen Myoms und damit einhergehenden Beschwerden würde meine Gebärmutter rausfliegen.
Eine ähnliche OP gab es vor einigen Jahren schon mal, aber organerhaltend. Damals auch deswegen ein fetter Bauchschnitt, diesmal eleganter mit kleinen Schnitten. Dass ein operativer Eingriff für den Körper allerdings ein tätlicher Angriff ist, so gut er auch gemeint ist, musste ich mir erstmal bewusst machen. Empathie fördert Geduld, das klappt auch bei eigenen Versehrtheiten.
Wohl in kaum einem anderen Jahr war ich selbst so sehr Januar wie in diesem. Ein größerer medizinischer Eingriff ließ mich den Monat über in die Matratzengruft einwachsen. Wie die Zwiebelblumen im Garten schöpfte ich im Inneren neue Kraft und streckte mit dem sich mehrenden Tageslicht allmählich wieder meine Gliedmaßen in die Welt.
Der Januar hatte etwa 52 Tage und schreitet, gebückt von der Weltlage, kopfschüttelnd davon. Nun sitzt der Februar betreten am Tisch und blickt entgeistert: „Ernsthaft jetzt?“ Jo. Muss ja, ne? Ich tätschele seine klammen Finger und erinnere ihn daran, dass das Leben viel Schönes und Gutes bereithält. Das gilt es zu verteidigen. Wohlan.
Februar
Seitdem wir den Kleingarten haben, finde ich auch in den gefürchteten finsteren Wintermonaten Zuversicht. Im Februar stecke ich die ersten Samenkörner in die Erde und das Staunen zieht ein.
Das Samenkorn. Ein ganz wundersames Material. 🌱
Beim Gärtnern bin ich zuverlässig voller Staunen, was aus Saatgut entstehen kann. Hoffnungsfroh lege ich ein Samenkorn in die Erde. Und wenn Zeit, Licht, Wasser und Temperatur stimmen, wachsen die schönsten Pflanzen gen Himmel – und manchmal in den Mund.
Eins der erstaunlichsten Samenkörner macht der Kohl: winzig kleine Kügelchen, die zu gewaltigen Kohlpflanzen in schier unfassbarer Vielfalt heranwachsen und ganze Familien ernähren können, ob Mensch, Vogel oder Schmetterling.
Sie kommen problemlos über den Winter und dann zur Blüte. In leuchtendem Gelb und mit deutlichem Duft locken sie zahllose Insekten und speisen sie mit ihrem Nektar. Zurück bleibt: das Samenkorn, dass ich wieder in die Erde gebe. Repeat.
Ich lege noch ein Gedicht von Ringelnatz dazu:
»Ein Samenkorn lag auf dem Rücken,
die Amsel wollte es zerpicken.
Aus Mitleid hat sie es verschont
und wurde dafür reich belohnt.
Das Korn, das auf der Erde lag,
das wuchs und wuchs von Tag zu Tag.
Jetzt ist es schon ein hoher Baum
und trägt ein Nest aus weichem Flaum.
Die Amsel hat das Nest erbaut;
dort sitzt sie nun und zwitschert laut.«
Dennoch war der Februar ein schwieriger Monat. Es war schön, wieder im Buchladen zu sein. Er ist ein so wichtiger Ort für mich, mit seinen Menschen und als Ort mit Haltung. Ein anderes berufliches Vorhaben erwies sich als Irrtum. Ich kam aber vor allem nach der OP nicht wieder richtig auf die Füße. Erschöpfung setzte sich in mir fest. Schlaf wurde erstmals in meinem Leben ein Problem. Mein Blutdruck stieg.
Dass all das Vorboten für eine große Veränderung in meinem Leben sein würden, ahnte ich nicht. Bestimmt müsste ich nur meinen Hintern hochbekommen, mehr Rad fahren und überhaupt, mich mal zusammenreißen, ne?
Und dann, zack, weg ist er, der Februar. So kurz wie quälend lang. Mit einem saftigen Türknall rauschte er raus. Ich fühle das. Ein seltsamer Monat mit viel Körper und Kopf, über den ich noch nachdenken muss. Herein mit dir, du mein Wonnemonat März, bring‘ mit dein Licht, deine Wärme, dein Grün. 💚
März
Der März erwies sich wie schon der Februar als ausgesprochen trocken. Und das im Frühjahr. Im Garten blieb es dadurch länger winterlich als im Jahr zuvor. Sorgenfalten runzelten meine Stirn. Wasser schien zumindest in unserer Region nur selten ein Problem zu sein.
Die Auswirkungen der Klimakatastrophe sind längst unverkennbar. Diese zu beobachten ist das Eine. Die ignoranten bis fahrlässigen Entscheidungen der Bundesregierung zu verfolgen, ist das Andere. Umso wichtiger, vor Ort Selbstwirksamkeit zu verspüren. Die Umgestaltung unseres Kleingartens zu einem naturnahen Gemüse- und Naturgarten wurde belohnt.
Die Plakette hängt. Herzlichen Dank an die Stadt Köln, ans Umweltbildungszentrum Gut Leidenhausen, den NABU Köln, die VHS Köln und den KGV Flora e.V. 💚. Im zweiten Jahr nach der Gartenübernahme und nachdem wir Bad Kleingarten einmal auf links gedreht haben, ist das eine wahrhaft schöne Anerkennung.

Für uns war die Teilnahme aus zwei Gründen wichtig: Zum einen wegen der fachlichen Rückmeldung. Eine Mitarbeiterin vom Umweltbildungszentrum Gut Leidenhausen hatte sich eine Stunde lang Zeit genommen, um sich den Garten anzusehen und ihre Eindrücke als Biologin zu besprechen. Zum anderen nahmen wir teil, damit die Stadt Köln viel Beteiligung hat – eine Möglichkeit, der Politik Argumente an die Hand zu geben, weiterhin Maßnahmen zur Förderung der Artenvielfalt zu verfolgen. Und auch die Kleingärten als Teil dieser Maßnahmen wahrzunehmen.
Es war schön, bei der Preisverleihung zu sehen, wie viele Menschen sich mit ihren Gärten für Biodiversität einsetzen. Und im Laufe des Jahren konnten wir erleben, wie viel Leben im Garten einzieht. Zusätzlich verändert sich auch unsere Wahrnehmung, was sich auch bei Gängen durch die Stadtnatur und durch Naturlandschaften bemerkbar macht. Ein großer Dank an dieser Stelle an Flora Incognita.
Mit einem trockenen Husten schlurft der März davon. Bazillen, Dürre, Dies, Das. Kein Monat der Wonne, diesmal. Ich sehe den April in der Übergangsjacke im Garten tänzeln, wie er da und dort Farbklekse ins junge Grün malt. Ob er an den Regen gedacht hat? Da, er guckt, winkt, und hüpft auf mich zu. Na, mal sehen, was das wird.

April
Vielleicht ein Lieblingsmonat: mehr Licht, das Grün, das Aufblühen, das Zwitschern und Flattern der Vögel, das Summen der erwachten und geschlüpften Insekten, die ersten Radieschen mit Kopfsalat und Schnittlauch – einfach herrlich. Die Sonne hat schon Kraft. Ja!
Mit dem Abenteuerfahrrad weltfluchtartig eine Fuhre Pflanzen von der Fensterbank nach Bad Kleingarten shutteln und vor Ort alle vertrauten und neu aufgeplöppten Kurgäste durchloben. Da war man mal zwei Tage nicht da und schon ist die Lage in den Beeten und Wiesenstücken eine gänzlich andere.
„Tschüss, das war schön mit dir, bis zum nächsten Jahr!“ Ich winke dem netten April hinterher, der etwas vom dringend benötigten Regen und mir das Lebensgefühl wiederbrachte. Drei Monate Rekonvaleszenz und Krankheit kann ich nun abheften. Es ging mit leichterem Schritt ans Werk, ins Tun, aufs Rad, in den Garten, eh klar. Mutter Natur hing derweil eifrig die Rüschengardinen in die Luft. Die Weltlage hingegen, ein Graus, ob nah oder fern.
Komm, lieber Mai, und lass uns was zusammen machen. Was Gutes. 💚
Mai
Im Mai reisten Herr Hoffmann und ich nach Lüttich. Das war ein schöner Ausflug. In einer Stunde ist man mit der Bahn in der kontrastreichen Stadt, die gerade viel richtig macht. Da muss man nur einmal über die Grenze und kann sehen, wie das gehen kann, wenn politische Entscheider*innen die Zukunft umarmen und nicht verleugnen. Das geht zwar nur stückweise und nach wie vor ist Lüttich durchaus eine Herausforderung. Aber ich komme stets erfrischt und lebendiger zurück.
Es gab erste Mahlzeiten aus der Kleingartenkantine in Bad Kleingarten. In diesem Jahr entdeckte ich die Vorzüge von Wildkräutern. So gab es schon früh im Jahr frisches Grün in der Küche. Das war gut, denn die kalten Nächte im Mai ließen das Wachstum von Salaten und Gemüse im Kleingarten noch stocken.
Im Mai wurde ich zur 2. Vorsitzenden im Kleingärtnerverein gewählt. Das war dann doch überraschend und ich hatte eigentlich keine Ahnung, worauf ich mich eingelassen habe. Aber ich freute mich auf die Arbeit mit einem tollen Team. Für eine gute Sache.
Bye, bye, Mai! Mit Donner verabschiedet sich ein Monat, der alle Klischees abfeierte. Mairegen bringt Segen und wonnig lachte die Sonne, bis in Bad Kleingarten nun alles wächst, gedeiht und blüht. Donnerwetter, rufe ich ihm hinterher. Ja, ruft er albern lachend zurück und lässt es noch einmal ordentlich krachen.
Der Juni sitzt derweil schon mit Kaffee in der Küche und überlegt sich was. „Was?“ Er lächelt in sich hinein, schüttelt den Kopf und hält mir die leere Tasse hin.
Juni
Die Zeit loslassen. Ich habe Urlaub und schon nach wenigen Tagen löst sich die Zeit auf.
Tageszeit, Wochentage, alles der menschliche Versuch, zu ordnen, was sich nicht festhalten und schwerlich messen lässt. Manche Tage gleichen stillen Seen, in denen sich Bäume und Wolken spiegeln. Andere Tage springen hurtig dahin, mit einem gewaltigen Rauschen durch enge Schluchten und von hohen Felsen hinunter.
Die Zeit gleicht dem Wasser, das sich nicht fassen lässt und das seinen Weg kennt. Ich tauche meine Hand tief in die Zeit, labe mich, verschlucke mich, sehe sie verdunsten und versickern, spüre, sehe, wie sie ihrer Bestimmung folgt.
Die Zeit zulassen. Wenn Tage nicht verplant sind. Wenn sich das Leben fügt, wie es gerade zu fließen vermag. Diese Tage.
Wir waren zwei Wochen lang mit Rad und Zelt in der Wallonie unterwegs. Wie schön das war. Es war an manchen Tagen aber auch irrwitzig heiß, aber keine fast 40 Grad wie zur selben Zeit in Köln. Ich wusste schon vorher, dass ich nicht in Form war. Wir fuhren gemütlich kurze Etappen, auch wegen der Wetterbedingungen.
Aber inzwischen weiß ich, dass ich aus anderen Gründen doch recht schlapp war.
Nichtsdestotrotz war es wieder eine Freude, mit Herrn Hoffmann langsam durch schöne Gegend zu reisen. Dass wir just in Monschau einen Zeltplatz fanden, an dem wir gleich ein paar Tage verbrachten und wo wir fantastisch ruhige Wanderwege fanden, war verblüffend.
Im nächsten Jahr möchte ich aber unbedingt auch mal wieder in die Schafbachmühle, über Jahre hinweg unser Stammzeltplatz in der Eifel. (Seitdem wir kein Auto mehr haben und die Eifelbahnstrecke nach der Flutkatastrophe 2021 wegen des Schienenersatzverkehrs mit Rädern nicht funktionierte, ist es allerdings ein bisschen komplizierter geworden, mal eben für ein Wochenende dorthin zu fahren.)
Weißt du noch, der Juni?
Der Juli blickt mich über die Schulter an: Längst vorbei.
Ich: Ja, aber welch sprießende Pracht er doch brachte.
Juli: Und dann?
Ich: Dann waren wir im Urlaub – und er wurde auf seine letzten Tage unangenehm hitzig.
Juli: Nun bin ich da. Ich habe Regen im Gepäck.
Ich: Gute Sache.
Juli: Siehste.
Er dreht sich um und blickt in den tropfenden Hinterhof.Ich sehe den Juli an. Was er wohl vorhat?
Juli
Sommer. Es war ein guter Sommer. Mit Konzerten in der Kahnstation Blücherpark. Viel Grillen in Bad Kleingarten. Einer Hochzeit. Einem Fest. Und tief drinnen die Erschöpfung, die immer mehr Raum einnahm. Unmerklich vermied ich zunehmend alles möglich: Treffen, Ausflüge, alles abseits des dringend Notwendigen.
Im Juli füllte sich das Erntekörbchen mit dicken Kartoffeln, köstlichen Bohnen und den ersten Tomaten aus Bad Kleingarten. Alle Wetter. Eine der schönsten Liebesgeschichten, die ich seit langem gelesen habe. Es gilt, das Gute festzuhalten, während drumherum die Welt, ganz nah und fern, allerlei Unbill bereithält.
Ich öffne das Fenster und der August regnet herein, der Gast, der stets zu früh kommt und sich pikiert wundert, wenn man noch im Schlafanzug da steht.
August
Tja. Im August verschlechterte sich mein Zustand weiterhin. Ich funktionierte, wo ich funktionieren musste. Abseits davon saß ich auf dem Küchenstuhl und starrte vor mich hin. Fuhr ich mit dem Rad in den Garten, kam es vor, dass ich erstmal eine Stunde in der Hängematte schlief. Die eine Treppe zur Wohnung hoch war mir die Zugspitze. Ohne Seilbahn.
Eigentlich wollte ich mich im Kommunalwahlkampf engagieren, aber es blieb bei einem Schnuppereinsatz am Stand vor der Agneskirche.
Meine Sehstärke verschlechterte sich innerhalb kurzer Zeit dramatisch. Mein Augenarzt war leider im Urlaub und der Vertretungsarzt konnte nicht viel mehr feststellen, als dass sich meine Sehkraft verschlechtert hatte. Aber das hatte ich alles hier schon aufgeschrieben.
Schon ist mein Blick am Hügel, dem besonnten,
dem Wege, den ich kaum begann, voran.
So faßt uns das, was wir nicht fassen konnten,
voller Erscheinung, aus der Ferne an –und wandelt uns, auch wenn wirs nicht erreichen,
in jenes, das wir, kaum es ahnend, sind;
ein Zeichen weht, erwidernd unserm Zeichen …
wir aber spüren nur den Gegenwind.(Rilke)
Vorm Krankenhaus fand ich bei einem Spaziergang diese schöne Kratzdistel, die Blüten und Verblühtes zugleich trägt. Wie mein Leben selbst, das sich dieser Tage schier überschlägt.
In allen Kanälen einstweilen Stille.
September
Der August brachte mich ins Krankenhaus, der September wieder raus. Ein neuer Lebensabschnitt mit Insulin und Diabetes Typ 1. Die Trauerfeier für Frau Mutter. Was alles in ein paar Wochen passt, so viel Leben und Tod, so viele Gefühle und Gedanken und die auch noch alle gleichzeitig.
»Die Zeit steht still. Wir sind es, die enteilen.«
Ein Freund sendete mir dieser Tage eine Zeile von Mascha Kaléko. Sie passt so gut. Die Zeit steht still. Im September verabschiedeten wir uns von meiner Frau Mutter, die am letzten Tag im August mit über 87 Jahren starb.
Für meine Trauerrede erinnerte ich mich an all die Geschichten, die sie erzählt und erlebt hat. Von der „schlechten Zeit“ mit Hunger, Krieg, Not und menschlicher Kälte bis zu ihrer Freude an ihren Ur-Enkeln. Gerade eben blättere ich durch einige Bilder, die ich mal von ihren Fotos abgeknipst hatte. Demnächst werden wir Kinder entscheiden, was mit all den Fotoalben und den Schubladen voller Fotos geschehen wird.
Manche Dinge werden bleiben. Aber viel wichtiger ist, was in mir von meiner Mutter bleibt: Sie liebte das Leben mit allen Sinnen, trug knallbunte Farben, die Lippen rot, blumige Düfte, genoss beschwingte und gefühlvolle Musik, die Sonne, gutes Essen und ihr Zuhause im kleinen Dorf im Sauerland ebenso wie Reisen in nahe und ferne Länder. Das ist, was ich als ihr Geschenk, ihr Vermächtnis an mich mitnehme. Ihre große Lust am Leben. Danke. 🖤
Ein September, den ich nicht so bald vergessen werde. Er wird sich vermutlich jetzt erstmal hinlegen müssen. Der September gibt dem Oktober beim Verlassen des Jahres schweigend die Hand und zuckt leicht die Schultern. Muss ja. Der Oktober tritt ein, schwer bepackt mit Terminen und Pflichten. Er mustert mich nachdenklich und schwingt seine abgewetzte Ledertasche auf den Tisch: „Folgendes.“

Oktober
Ich verbrachte viel Zeit in Arztpraxen und damit, mich über Diabetes Typ 1 zu informieren, damit, Erkenntnisse zu sortieren und neue Routinen zu finden. Ich fühlte mich allem wieder besser gewachsen. Aber zwischendurch habe ich auch das Gefühl, dass mein Schädel platzt. Mein Eindruck ist, dass mein Hirn so manches hinten rüber kippen lässt, weil von vorn gerade so viel reinschiebt.
In der Heimbürokantine blicke ich nochmal etwas anders aufs Kochen und Essen. Im Unterschied zu Diabetes Typ 2 kann ich mit Diabetes Typ 1 weiterhin alles essen, solange ich den Insulinbedarf richtig einschätze. Aber ich stelle doch fest, dass mein Körper ganz dankbar reagiert, wenn ich Lebensmittel bevorzuge, die den Blutzuckerspiegel nicht rasant hochjagen und ihn dann rasch wieder abfallen lassen. Mein Glück ist, dass ich alles, was frisch und bunt ist, ohnehin lieber esse als Süßkram, Lasagne und Pizza.
Auch Essen auswärts klappt gut. Skurrilster Moment allerdings während der Buchmesse: Ich saß spätabends auf der Kante des Hotelbetts und futterte Traubenzucker. Weil ich es geschafft hatte, in einem italienischen Restaurant ZU WENIG Kohlenhydrate zu essen. Für die ich aber Insulin gespritzt hatte. Mannomann.
„Nun.“ Selbstzufrieden klappt Herr Oktober die zerschlissene Ledertasche zu. „Das hat im Großen und Ganzen doch recht gut geklappt.“
Gutes gelesen, Buchmesse, Buchladen, Gartendinge, Heimbürokantine, Dies, Das. Ich fühle mich gelobt und beschließe, ihn nicht auf den ein oder anderen Schnitzer meinerseits hinzuweisen, auch nicht auf all das, was ich nicht geschafft habe.
Einfach mal noch einen Tag lang Oktober sein, golden leuchten, die Kraft aus dem Draußen nach Drinnen ziehen, wirbelnden Wind ums Eingeübte machen und dann in Ruhe alles fallen lassen.
„Der November dürfte dann gleich kommen“, teilt mir Oktober noch mit. Er habe sich umziehen müssen, war viel zu warm angezogen. Ich nicke mit Blick auf den Wetterfrosch, der längst wieder in Übergangsjacke hockt und ans Vanilleeis im Kühlschrank erinnert.

November
Die wiedererlangte Energie fließt auch ins Blog und macht mich wieder empfänglicher für Gutes von außerhalb. Es gab einen vermutlich vorletzten Besuch im nun ehemaligen Elternhaus. Das ein oder andere Erinnerungsstück lebt mit uns in Köln weiter.
An meinem Geburtstag besuchten wir nach vielen Jahren mal wieder den Kölner Zoo, also unsere tierische Nachbarschaft. Das war ein schöner Tag.
Und dann war der Monat auch schon wieder vorbei.
Irritiert blinzele ich, als ich Herrn November heute in Stiefeln und Mantel vorfinde. „Ach. Jetzt schon?“
Nachdenklich blickt der November mich über den Brillenrand hinweg an, während er seine Manteltaschen abklopft. „Fehlt noch etwas? Habe ich etwas vergessen?“Vermutlich nicht.
Habe ich etwas vergessen?
Bestimmt.Gerade türmt sich so viel im Innern, da bräuchte es eigentlich mal etwas … Innehalten, ne? Herr November lacht auf. „Lustige Idee. Hör‘ mal, wer da kommt.“
Da. Ich höre den Dezember schwer beladen die Treppe hoch ächzen …

Dezember
Ein Monat, der gerade erst begonnen hat. Da habe ich dann wohl noch etwas nachzutragen. Zwischen den Jahren. Eine Zeit, auf die ich mich sehr freue. Und die wie immer viel zu kurz sein wird. Aber nicht zu kurz, um nicht ein paar Notizen zum letzten Monat in diesem bemerkenswerten Jahr nachzutragen.
Und dann will ich auch noch von Bad Kleingarten und vom Tun im Verein erzählen.
Bald.







