Ich trete vor die Tür und gehe ins Heimbüro.
Ich trete vor die Tür – und ich stehe im Herbst. Nun geht es auch wieder mit dem Gehen. So seltsam es klingen mag: Im Sommer ging das nicht gut mit dem Gehen ins Heimbüro. Die Menschen draußen schon zu früher Stunde sommerlichter Stimmung, das Licht hell, während ich ganz zerknautscht bin, als habe ich in meinem Menschenkostüm geschlafen. Ach, habe ich ja auch.
Und wiewohl mich die Herbstwehmut im Griff hat – wieder zu wenig gezeltet, wieder zu wenig mit dem Rad umhergesaust, wieder zu wenig die hellen Tage gespürt –, ist das Herz doch zugleich voll mit Herbstliebe: Die Luft riecht nach Frucht und Nuss und nahem Verfall, Mutter Natur streut buntes Konfetti, Pfützen spiegeln eine eigenartige Anderwelt. Es traklt.
Am Wochenende war ich in der Eifel und ich erwische mich noch im Dorfmodus: Man grüßt sich. Was in der Stadt recht seltsam auf die Menschen wirkt. Glücklicherweise begegne ich noch dem Buchhändler des Viertels. Der guckt nicht nur, der grüßt zurück.
Am Anleger ist alles still.
Die Saison der Flußkreuzfahrtschiffe scheint vorbei. Einige Menschen sind mit dem Rad zur Arbeit unterwegs. Die Tauben gehen sehr sortiert ihren Morgengeschäften nach. Ein mittelalter Mann kreuzt. Er trägt Glatze mit Bart, Sakko und Superman-Shirt. Der ist doch bestimmt in der Werbung oder macht sonstwas mit Medien, tuschelt mein inneres Dorfkind.
Auf der Hundewiese ist nur am Rande etwas los.
Ein Border Collie hüpft begeistert hin und her und hin und her und hin und her über die niedrige Umrandung. Zwei Hunde strecken die Nasen prüfend in den Wind, während ihre Inhaberinnen miteinander schwatzen. Ein nettes kleines Irgendwas in schwarzem Rollpulli wirft mir lockende Dackelblicke zu, muss aber gehorchen. Ich auch. Ein fröhlich trabendes, fuchsfarbenes Hundchen lacht mich an. Inmitten der rot und braun und gelb leuchtenden Herbstblätter verschwindet es fast. Ich blicke mich um. Das Hundchen blickt sich um. Wir verabschieden einander stumm. Hab‘ einen guten Tag! Ja, danke, du auch!
Schneebesen.
Das Wort hatte ich aufgeschnappt, als ich an den schwatzenden Damen vorüberging. Schneebesen, Schneebesen. Schneebesen vor mich hindeklamierend lege ich meine Hand kurz ans Tor zum Rosengarten. Der Rosengarten hat nun Winterruhe. Bis Mai ist er geschlossen.
Ich besuche die Spielplatztiere. Sie haben bei dem Wetter ihre Ruhe und blicken fragend. Auf der Straße sehe ich … Ein entlaufenes Spielplatzier? Kunst? Es ist ein Gartensack, der auf Blätter lauert. Das alte Fort wird derweil in aller Gemächlichkeit und Hartnäckigkeit von den Bäumen erobert. Auf einer Litfaßsäule dann tatsächlich Kunst.
Ich erreiche die Haustür.
Dieser Tage öffnet sie sich mit einem fragenden Miau. Miau?
Am Schreibtsch angelangt, krame ich nach Trakl. Verklärter Herbst. Das muss so sein im November.
Gewaltig endet so das Jahr
mit goldnem Wein und Frucht der Gärten,
rund schweigen Wälder wunderbar
und sind des Einsamen Gefährten.
Da sagt der Landmann: Es ist gut.
Ihr Abendglocken lang und leise
gebt noch zum Ende frohen Mut.
Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.
Es ist der Liebe milde Zeit.
Im Kahn den blauen Fluss hinunter,
wie schön sich Bild an Bildchen reiht –
das geht in Ruh und Schweigen unter.
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Alle bisherigen Gänge ins Heimbüro sind in der Zweigstelle zu finden. Nach und nach werde ich die Texte hierhin holen. Die Zeiten von Tumblr sind wohl vorbei.