Ich trete vor die Tür und finde mich inmitten von telefonierenden Menschen.
Ich gehe die Straße hinunter und um mich herum telefoniert jeder. Jeder! Liegt’s am Coronavirus, dass man wieder mehr telefoniert? Heimbüro, Sorge um Angehörige und Freund:innen, das Meiden von Verabredungen in Echt und in Farbe? Dass mir gleich das Virus einfällt, fällt mir erst später ein.
Natürlich, ich denke viel darüber nach. Auch wegen kommender Handlungsreisen, denen ich mit ambivalenten Gefühlen entgegenblicke. Ich finde es schwierig, abzuwägen, was für mich und die Menschen um mich herum und die Gemeinschaft an sich vernünftig und angemessen ist. Gleich werde ich mal die Lage peilen, welche Gedanken meine Auftrageber:innen hegen. Außerdem beobachte ich misstrauisch meinen Körper, der für Bazillen und Viren jedweder Art stets empfänglich ist. (Leesempfehlung: Ist Covid-19 wirklich gefährlicher als die Grippe?)
Ich gehe.
Ich atme. Die Luft duftet nach Frühling. Köln ist sich treu und früh dran. An einer Ecke die erste blühende Magnolie, die ich in diesem Jahr sehe. Warmer Regen fällt. Wachswetter.
Ein äußerst junger Mann flirtet mich an. Er nestelt an dem Lammfell, in das er fürsorglich von seiner Frau Mutter gesteckt wurde. Mir wird gleich noch etwas wärmer bei diesem Anblick. Am Blick liegt’s nicht. Um den unverfroren neugierigen Blick beneide ich ihn eher. Manchmal möchte ich mir auch so Menschen angucken. Aber wenn man nicht mehr ein kleiner Nestling ist, finden das Menschen doch eher befremdlich. Auch ich.
An den Straßenrändern das Treibgut urbanen Lebens.
Sperrmülltag. Kurz wird mir beinahe schwindlig beim Gedanken an all die Dinge, die sich in den Häusern links und recht befinden mögen.
In der Ferne wackelt Freund Bobtail um die Ecke. Die Hundewiese indes ist leer. An ihrem Rand wird ein Rudel Kinder seinem heutigen Schicksal zugeführt: Geht es ins Schwimmbad? Doch ihr Weg führt sie am Schwimmbad vorbei. Über die Wiese zirpen ihre Meerschweinchenlaute. Es scheint zum Zoo zu gehen.
Mein Weg ist heute ein anderer. Nicht nur wegen des Hochwassers gehe ich Straßen, die parallel zu meinem üblichen Weg zur Arbeit im Heimbüro führen. Mich lockt das Unvertraute. Die Schritte werden allmählich leichter.
Gestern stand und ging ich fast den ganzen Tag – Workshop, vulgo Kreativlabor. Das intensive Reindenken und Aufgreifen der Gedanken anderer beschert mir am Tag danach ein Wattehirn und verspannte Waden. In Letztere schicke ich stets alle Anspannung. Früher hatte ich sie im Brustkorb hängen, was Sprechen und Denken und Tun erheblich erschwerte. Bis ich mir beibrachte, meine Waden in Anspruch zu nehmen. Vielleicht schaffe ich es eines Tages, die Anspannung vollends in den Boden fließen zu lassen. Und mein Hirn vor der zwangsläufigen Post-Workshop-Verwattung zu schützen?
Was sagt die Planwirtschaft?
Das wird ein Tag zum Herumkramen und Dinge sortieren, weniger einer für große Würfe. Den workshop nachbereiten. Ein Audio-Interview möchte verschriftlicht und Rechnungen geschrieben werden. Kommende Termine klären. Nachher geht’s noch in den Buchladen, wo wir diese Woche ein Stück Leipziger Buchmesse nach Nippes holen.
Ich öffne eine Tür und die nächste und betrete Räume und stehe vor meinem Schreibtisch. Wohlan.
Zum Schluß noch Schönes: Enten und Liebe.
Und Schifferklavier.