Ich trete vor die Tür und lande im munteren Morgengeläut der Agneskirche.
Zu ihren Füßen ein leuchtender Saum aus Marktständen. Ein Regentag. Ich freue mich über den ein oder anderen leuchtend bunten Regenschirm, der körperlos über dämmerdunkle Straßen zu tanzen scheint.
Regen! Später werde ich im Hausflur eine Nachbarin treffen, die Wasfüreinwetter vor sich hinseufzt und im Taucheranzug ihr Fahrrad ins Draußen schiebt. Ja, was für ein Wetter. Regenwetter. Noch nicht ganz Wachswetter, selbst wenn es hier im frühlingsfrühen Köln an manchen Tagen schon danach riecht. Hoffentlich saugt sich der Boden ordentlich voll, hoffentlich füllen sich die Wasserreservoire. Noch ein Dürrejahr? Bitte nicht. Und selbst wenn das stetig herabplatschende Nass mitunter unpraktisch ist: Ich bin dieser Tage für jeden Regenguss dankbar.
Der Dom hat den Kopf in den Wolken.
Am Anleger alles ruhig? Nur augenscheinlich, denn Vater Rhein schwappt aufgeregt und laut glucksend in seinem Bett. Schmelzwasser! Am Rhein sein ist immer auch im HERE und Jetzt sein. Er tut, was er tut. Die Wege indes weitgehend leer. Die Straßen voll, noch lauter als der Rhein schmatzen die Reifen der vorbeibrausenden Autos.
Auf dem Weg zur Hundwiese platsche ich in Pfützen, balanciere an ihren Rändern, werfe Blicke in die still schimmernde Anderwelt auf der anderen Seite des Pfützenspiegels. Vorhin ging ich mit schwerem Herzen zur Tür hinaus. Der erste Monat des neuen Jahres ist beinahe vorbei. Es waren erschöpfte, müde, manchmal gar resignierte Tage.
Selbst wenn es auch Schönes und Gutes und Wahres gab: Mir fehlen Aussichten. Selbst wenn ich so rasch nicht mit Impfstoffen gerechnet hatte, flackert das Flämmchen Hoffnung doch wieder zaghaft angesichts der Zeit, die es in Anspruch nehmen wird, bis dann mal alle geimpft sind. Und bis man weiß, was das nun bedeuten wird für unser Miteinander. Das Miteinander. Viel Unfrieden allerorten, nicht zuletzt durch die so hübsch klingende Eigenverantwortung, mit denen Menschen sich selbst überlassen werden in ihrer Unsicherheit, eine Entscheidung für sich und ihnen Anvertraute zu treffen. Hier versäumt der Staat viel und ich frage mich, wie und so sich dieser Unfrieden künftig auswirken wird. Ein Sinn fürs Gemeinwohl wird meiner Ansicht nach nicht gestärkt, indem man die Menschen in schwierigen Situationen sich selbst überlässt. Aber was weiß ich schon. Seit letztem Jahr weiß ich, dass ich als Solo-Selbstständige und mit meinem Tun ohnehin nicht zähle. Oha. Das klingt nun wahrhaft resigniert, oder?
Ich richte meine Gedanken auf bessere Zeiten.
Ich richte meinen Blick auf die vergessenen Fußballtore auf der Hundewiese. Sie wirken wie eine Installation. Kunst. Ein Denkmal? Nicht weit davon zwei wetterfest ummäntelte Hundetiere, die im Bannkreis ihrer Inhaberinnen offenbar die Pfoten des anderen zu erhaschen versuchen. Das geschieht nicht ohne eifriges Japsen und Bellen. Angesichts dieser triefnassen Tollitäten hebt sich meine Stimmung schlagartig.
Ein Schwatz mit dem Rosengärtner, der eine Schubkarre mit Rechen und Zweigen mit sich führt. Wir fragen uns, wie es wohl dem Veedelsflaneur gehen mag. Wir haben ihn beide schon lange, zu lange nicht gesehen. Natürlich sprechen wir auch übers Wetter. Und die stark gekürzten Kronen der Kugelahörner, die für Unwissende einen schockierenden Anblick liefern. Doch alle 6-8 Jahre müssen sie zurückgeschnitten werden, will man die Bäume erhalten. Der Rosengärtner meint zuversichtlich, dass sie im Frühling rasch wieder ausschlagen werden. Wir freuen uns beide schon auf unsere Begegnungen im Rosengarten, wenn er wieder öffnet. Hm. Anfang Mai. Nun ja, eine Aussicht!
Gesetzt den Fall
Im Agnesviertel ist eine gute Seele unterwegs, die Texte aussetzt.
Ich finde heute einen von Robert Gernhardt:
Gesetzt den Fall, ihr habt ein Schaf gekränkt –
(„Gesetzt den Fall“ heißt „Nehmen wir mal an“) –
gesetzt den Fall, es hat den Kopf gesenkt
und ist euch böse – ja, was dann?
Dann solltet ihr dem Schaf was Liebes sagen,
ihr könnt ihm dabei auch den Rücken streicheln,
ihr dürft nicht „Na? Warum so sauer?“ fragen,
ihr müsst dem Schaf mit Freundlichkeiten schmeicheln.
Sagt mir jetzt nicht: „Ich wohn’ doch in der Stadt,
wo soll ich da um Himmels Willen Schafe kränken?“
Ich gebe zu, dass das was für sich hat,
doch bitte ich euch trotzdem zu bedenken:
Ein gutes Wort ist nie verschenkt,
nicht nur bei Schafen, sondern überall.
Auch trefft ihr Schafe öfter, als ihr denkt.
Nicht nur auf Wiesen. Und nicht nur im Stall.
(Na wo denn noch?)
Nicht nachlassen.
Das lese ich auf dem Schild vorm Wochenmarkt. Nicht nachlassen. Das nehme ich mit, in meinen Tag, in mir.
Mit ein paar Handgriffen bringe ich etwas Ordnung in den öffentlichen Bücherschrank, zupfe einen aufgeweichten und völlig veralteten Reiseführer heraus. Seit einigen Wochen steht er nun vorm Lieblingsbüdchen und ich darf mich seit kurzem zu den sortierenden Händen zählen.
Ich erreiche die Haustür, die Wohnungstür, hänge die regengetränkte Jacke zum Trocknen auf, mache mir eine Kanne Tee und setze mich an Schreibtisch. Morgen erscheint übrigens eine Episode des Podcasts Lob des Gehens, in dem ich zu Gast sein durfte, um mit Nicola Wessinghage übers ein meiner Lieblingsthemen zu sprechen: Das Gehen. Und Kreativität. Den Gang ins Heimbüro. Über das Büro auf dem Wanderweg. Über das Gehen in meinen Kreativwerkstätten, die es nun schon so lange nicht mehr geben durfte.
Andernorts
Und wer Podcasts mag oder mal in einen reinhören möchte, der in dem Viertel spielt, durch den ich meine Gänge ins Heimbüro mache: Mit meinem Nachbarn Peter Otten spreche ich seit einem Dreivierteljahr über Themen, die uns bewegen, die (manchmal) mehr oder weniger mit dem Agnesviertel zu tun haben. Agnes trifft. Und mitunter wird es nostalgisch, denn Peter und ich haben dieselbe Schule besucht. Und im Agnesviertel haben wir uns eigentlich wirklich kennengelernt. Verrückte Sache. Schön. In einer der Folgen über Lyrik geht es auch im die ausgesetzten Texte im Agnesviertel.
Liebe Wibke danke für diese ehrlichen Gedanken, der immer mal wieder hochkommenden Mutlosigkeit, auch der Angst und des Fragens und gleichzeitig nicht gebenden Antworten. Aber wenn ich eins in dieser „Anderen Zeit“ gelernt habe, ja ich nenne sie andere Zeit – ist das wir Menschen Rudeltiere sind und eben gerade dieses – Das Miteinander so benötigen und es auch wiederhaben werden.
Ich frage mich in der Zeit auch immer wieder, Dani 3 x wurden deine Flüge nach Afrika storniert, deine Aufträge dort schlafen und der grossen Angst das alle meine lieben Menschen in Afrika auch „diese andere Zeit“ schaffen und gesund bleiben. Meine Shootings brechen weg, fragend wie schaffst du das – aber nein Angst habe ich keine. Sondern es passieren eben dazu andere neue Dinge wie Herzenspost, Afrika im Herzen, BildSchoen und das ich im Dezember noch meine eigene Fotografie Marke gründe.
Wir haben als Kreative den grossen Vorteil das wir uns auch immer wieder ein bisschen neu erfinden und in unserer kreativen Welt, ob Literatur, Fotografie oder Kunst uns erholen -neu finden – und daraus Kraft ziehen. Und liebe Wibke ich freue mich so sehr darauf dann wieder auf vielen Messen, Kongressen, Workshops, Ausstellungen und und zu sein …. von Afrika spreche ich im Moment noch garnicht.
Fühle dich sehr umarmt und dankbar für jeden Moment wo wir und unsere Herzensmenschen gesund sind.
Dani