Ich trete vor die Tür.
Die Luft ist etwas über handwarm. „Für die Knochen ist das gut!“ ruft die Nachbarin rüber, die gerade mit der Tageszeitung aus dem Zeitschriftenladen kommt. Nun ja, ein pragmatischer Ansatz. Ich mache mich auf den Weg ins Heimbüro und winke Frau Agnes innerlich und dem Büdchenmann äußerlich einen Morgengruß zu. Das Agnesviertel, ein Dorf. Mein Dorf.
Die Platanen werfen gerade wieder viele Blätter ab. Ein Pilz macht ihnen seit Jahren zu schaffen. Menschen werfen derweil ihre Joppen ab. Zuletzt war es morgens mal recht kühl. Es regnete sogar in zwei Nächten, das muss protokolliert werden. Nun ist es Wetter für die Knochen. Ich betrachte die meinen, weiter unten gelegenen, während ich auf den Strichen über die Ampel balanciere. Sandalenfüße, wer hätte das gedacht, dass das eines Tages so normal sein wird. Ich erinnere mich an viele Sommer, in denen ich konsequent Stiefel durchtrug. Wegen ein paar sommerwarmer Tage kauft man doch nicht extra leichtes Schuhwerk, das dann auch noch seltsam fremd am Ende der Beine aussieht.
Nun sind Sandalen meine Freundinnen und die Zehen darin erschrecken mich längst nicht mehr. Zusammen passieren wir hübsch bepflanzte Baumscheibengärten, traurig ausgelutschte Maibäume und ein Plakat, das einen Sommer zum Lesen verspricht. Oder fordert es ihn?
Am Anleger ist was los.
Ein Flußkreuzfahrtschiff legt an. Das Licht ist seltsam fahl heute. Eine milchige Wolkendecke liegt über der Stadt. Lauter Ackerwinde am Ufer und zahllose Zieräpfel in den Hochbeeten.
Das schielende Haus bietet nun etwas zum Lesen: Spuren vom Tag der Architektur im Juni. Ich lese und gucke genauer hin. Man sieht nur, was man weiß. Flüstert Goethe, der alte Haudegen, in mein Ohr. 1890 wurde das Haus erbaut und in den 1950ern aufgrund der Kriegsschäden stark verändert und vereinfacht. Nun wurde die Fassade rekonstruiert. Die Kraniche auf der Großbaustelle wirken heute recht hochnäsig.
Platsch. Einer liegt, dem anderen hängt der Waschlappen bis auf die Pfoten. Auf der Hundewiese sind ein schwarzer Strupp und ein karamellfarbener Boxer eher matt unterwegs. Die Inhaber wirken nicht viel munterer. Dafür sehen die Bäume überraschend gut aus. Referenzbaum, so nennt die Kaltmamsell die Bäume, die einem die phänologische Jahreszeit sagen. Farblich sind wir hier in Köln längst mitten im August. Einige Schritte weiter, im Hilde-Domin-Park, fällt der Blick unweigerlich auf die Bäume, die fehlen: Unlängst wurde recht großzügig gefällt, was nicht bei Drei auf den Bäum-, ach nee, das war was anderes. Und so fehlen die, die Schatten spendeten. Ob die Fällungen nun gerechtfertigt waren oder nicht, darüber herrscht keine Einigkeit. Hoffnung gibt indes ein Ahorn, der sich seinen Platz auf einem Altarm eines der gefällten Bäume erobert hat.
Am Bücherschrank wartet Arbeit. Jemand hat offenbar seinen feuchten Keller ausgeräumt und lauter Stinktiere entsorgt. Müffelnde, stockfleckige und vom Pilz befallene Taschenbücher und alte Schinken ziehe ich naserümpfend raus. Gleich zweimal Folletts Säulen der Erde, miefend und die Seiten gelbbraun. Ich komme mit einem Paar ins Gespräch, die abenteuerlustig im Schrank nach Fundstücken gucken und wir beömmeln uns über den ein oder anderen Nackenbeißer, irgendwas mit Leidenschaft im Titel. Zufällig entdeckte ich vorhin einen durchaus interessanten Wikipedia-Beitrag über den Ursprung der von mir eher unbedarft verwendeten Bezeichnung Nackenbeißer.
Nimm den langsamsten Weg nach Hause.
Die aktuelle Kunstlitfasssäule springt mich regelrecht an. Frühstücke an einem Ort, der nicht dafür vorgesehen ist. Höre einem Menschen zu, bei dem du deine Vorurteile spürst. bieten einem fremden Menschen deine Hilfe an. Alles Teil eines Real-Life-Adventure-Games, einem Gesellschaftsspiels für den öffentlichen Raum. Mag ich sehr. Dahinter steckt Rike Hoppse, Spielaktivistin und Künstlerin.
Immer wenn du auf dein Handy schauen willst, schau in den Himmel.
Andernorts …
… gibt’s allerhand zu lesen. Vielleicht sollte ich mir angewöhnen, hier mal Dies und Das abzulegen. Allein schon, um es selbst nicht zwischen allen Tweets zu verlieren.
Zeit, mal wieder im Landlebenblog zu lesen. Da war etwas schön.
Ein vielschichtiger, starker Text von Anne Rabe: Gefangen in der Fiktion – Jan Ullrich als tragischer Held. Meine Geschichte mit der Tour de France, Jan Ullrich und den 90ern ist anders, aber das tut hier nichts zur Sache. Das soll bei anderer Gelegenheit mal erzählt werden, denn seltsamerweise – nein, wirklich, ein andermal. Der Essay von Anne Rabe soll für sich wirken können. Denn sowohl Podcast wie auch Doku musste ich mit einem vagen Unwohlsein abbrechen und nun verstehe ich besser, warum es richtig war.
Die Buchhändlerin schrieb über die Bretter, die die Welt bedeuten: Bücherregale.
Ich weiß nicht recht, ob ich damals nach dem Tod von Philip Seymour Hoffmann diesen Text von Joachim Kurz gelesen hatte. Aber ich bin froh, ihn nun gelesen zu haben. Denn: Ja. Die Ehrung eines besonderen Schauspielers, ohne den Menschen mit seinen Rollen zu verwechseln. Was, wie jüngste Beispiele zeigen, selten eine gute Idee ist.
Lest doch bitte NewFrohmanntic. Es wirkt.
<3