»Ich bin in Barbizon, in meiner Nähe ist der Wald mit seinen hohen, sich wiegenden Wipfeln. Ich will ihn kennen lernen und erkunden. Und mich dort ausruhen und das fiebrige Leben der Stadt vergessen, das mich in diesem Winter sehr ermüdete.« Odilon Redon
Ich habe schon das Ende der Ausstellung erreicht, als ich an diesem Satz hängenbleibe. Ich verleibe ihn mir ein. Das ist mein Waldgefühl. Viel später zuhause angekommen, schlage ich Odile Redon nach. »Seine Werke changieren zwischen dem Unheimlichen und dem Heiteren«, schreibt die Fondation Beyerler. Die Ausstellung, in der ich diesen Satz finde, ist noch bis zum 31.10. in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe zu sehen. INVENTING NATURE. Pflanzen in der Kunst.
Dass ich auf meiner Radreise zum Hädecke Verlag, wo ich das erste Exemplar meines Buches abhole, einen Halt in Karlsruhe einlege, ist kein Zufall: Schon vor einem Jahr fragte die Kunsthalle uns Herbergsmütter an, ob wir begleitend zu dieser Ausstellung eine kreative, im besten Falle inspirierende Social-Media-Aktion machen wollen. Wollten wir. Eine Pandemie überzog die Welt, die Ausstellung verschob sich, doch nun lüftete sich die Welt etwas und die Ausstellung konnte stattfinden. Über #JetztKunstPflanzen, unsere Social-Media-Aktion, werden wir drüben im Blog der Herbergsmütter schreiben. Wer schon mal gucken möchte: Hier gibt es die Handreichung, hier unterm Hashtag die Beiträge bei Twitter und Instagram.
Hier sinke ich in die Pflanzenwelt. Pflanzen in der Kunst, das Kunstvolle der Pflanzen, Pflanzen als Mittel der Kunst oder deren Thema, Strukturen und Formen.
Das Verbindende zwischen Pflanzen und Kunst, zwischen Natur und Mensch.
Auch das Trennende, das Obskure und Verwunderliche. Pflanzen werden nachgebaut, umgebaut, der Bildsprache zugefügt, durchleuchtet, gezählt, geformt, gezeichnet und gemalt. In allem blickt man am Ende den Menschen an, seinen Blick auf die Welt, seine Sehnsucht, seine Entfremdung oder vielmehr Verfremdung, um wiederum dadurch Kontakt herzustellen. Zwischen bitterem Ernst und heiterer Leichtigkeit finde ich Kunst vor.
Was ich bemerkenswert finde: Ich betrachte Kunst aus fünf Jahrhunderten. Und stelle fest, dass auch da, wo die Wahl eines Werkes von der Hand eines Künstlers naheliegend gewesen wäre, gibt es einen angenehm beiläufigen, aber konsequenten Griff zum Werk von Künstlerinnen. Manche Werke changieren zwischen Kunst und Naturwissenschaft, gerade beim Thema Pflanzen völlig einleuchtend. Die Fotogramme von Susanne Kriemann stimmen mich fröhlich, denn akribischer Forscherinnengeist fließt ins künstlerische Werk – das ist Osmose, denke ich. Ich sehe ein Digitalisat: Band 1 der Karlsruher Tulpenbücher, ausgesprochen schöne kolorierte Zeichnungen auf Papier von verschiedenen Künstlern aus dem 18. Jahrhundert, nun digitalisiert und damit zum Blättern für alle verfügbar gemacht.
Wer noch die Gelegenheit hat, sich Inventing Nature in Karlsruhe anzusehen: Tut es. Nicht nur, weil die Kunsthalle im Anschluss für längere Zeit wegen Renovierung geschlossen sein wird. Die Ausstellung stellt viele Fragen, mit denen sich unsere Gesellschaft jetzt und künftig auseinandersetzen muss: »Was ist wert, bewahrt zu werden?« An dieser Stelle sei auch der sehr gute Katalog empfohlen.
Besonders schön fand ich übrigens, dass die Kunsthalle zu ihrem 175. Geburtstag Karlsruhe ein Geschenk gemacht hatten: Dreizehn Hochbeete im Stadtraum gehörten bis Ende September zur Pflanzen-Aktion Bildschön in natura.
So, nun lest unbedingt auch, was Anke und Ute über die Ausstellung schrieben, zumal sie näher auf die Kunst selbst eingehen. Der Blogbeitrag zu #JetztKunstPflanzen folgt in den nächsten Tagen.
Und Odilon Redon? Ihm begegnete ich in der Ausstellung öfter und als ich durch die Bilder blätterte, stellte ich fest, dass es mir besonders dieses Stillleben von ihm angetan hat. Drei Blumen ergeben schon einen Strauß: Ackerwinde, Malve und Mohnblume. Das, was wild am Wegesrand wächst.
Liebe Wibke,
vielen Dank, dass du uns an deinem Ausstellungsbesuch teilhaben lässt!
Und wunderbar, dass du uns besuchen und die Ausstellung auch live sehen konntest!
Ganz herzlich aus der Kunsthalle
Tabea