Ich trete vor die Tür.
Schneekalte Luft umfängt mich. Vorm Haus bauen sich die ersten Leute vom Film auf. Dreharbeiten, das klingt aufregender als es ist. In Wahrheit sieht man kettenrauchende Menschen und irrwitzig hell leuchtende Lampen zwischen weißen Kleinlastwagen herumstehen, nur ab und zu läuft jemand durchs Bild.
Jemand wie ich, aber die Kameras sind alle noch nicht da. Glück gehabt. Am Büdchen war man auf Zack: Das Licht ist an. Wenn die Leute vom Film nicht rauchen, trinken sie Kaffee. Die Lichter der Großstadt – ich gehe meinem unverhohlenen Vergnügen nach, in die erleuchteten Fenster und den Morgenalltag der Nachbarschaft zu starren. Hier und da ist schon adventlich geschmückt.
Am Anleger ist was los.
Ein Flusskreuzfahrtschiff legt in einer Dieselwolke an. Nur wenige Menschen blicken aus ihren Käfigen Kajüten und blicken auf die steinige Uferbefestigung. Der Rhein führt Niedrigwasser. Viel gibt’s also nicht zu sehen. Das Licht färbt sich rosa. Morgenröte deutet sich an.
Auf dem Weg zur Hundewiese streife ich die Großbaustelle. Einer der Bäume am Wegesrand hält noch sein Laub fest. Oder ist es andersrum? Man kann offenbar noch nicht loslassen. Unverdrossen sind auch die Gänseblümchen neben der Hundewiese. Raureif liegt auf ihnen, doch sie recken ihre freundlichen Gesichter weiterhin in die Welt, ohne die Lust daran zu verlieren. Und auch wenn ich sie seit Jahren zu allen Jahreszeiten blühen sehe: ihre Beharrlichkeit überrascht mich jedes Mal, wenn ich ihnen in den Wintermonaten begegne. Ich nehme mir vor, etwas mehr Gänseblümchen zu sein. Das Gemüt neigt ob der sich abermals verschärfenden Pandemielage eher zum Dahinwelken. Gänseblümchen sein, Gänseblümchen sein, mit jedem Schritt brumme ich mein frisch gepflücktes Mantra vor mich hin.
Neuerdings so früh unterwegs zu sein verschafft mir Zutritt in neue Grüßzirkel. Ich wurde nach nur wenigen Tagen als Eine, die wiederkommt erkannt und energisch schreitende Damen beim Frühsport grüßen mich, manche noch etwas scheu, andere mit mutwillig blitzenden Augen.
Dependancen der Anglervereinigung? Fischfreundliche Haushalte?
Was hat es mit den Fischen auf sich, die ich neuerdings vermehrt an Balkonen hängen sehe? Zurück am Schreibtisch durchforste ich die einschlägigen Suchmaschinen und werde fündig: Es sind Koi-Nobori. Der Wikipedia-Eintrag ist nicht so ausführlich wie andere Seiten, aber da die alle kommerziell sind, belasse ich es dabei.
Im wilden Garten der Agneskirche entdecke ich ein Sitzmöbel, das während des Sommers über den Platz wanderte und nun wohl ein Winterquartier gefunden hat. Apropos Garten: Ich schaue am Büdchen gleich mal nach den Kohlpflanzen, die dort im Hochbeet wuchern. Ich hörte, das im letzten Jahr wohl jemand dort einen Rosenkohl (?) vergraben hatte. Daraufhin wuchs ein beachtlicher Kohlbaum, der einen Sommer lang hoch aufragte. In diesem Jahr kamen seine „Kinder“ ans Licht. Und nun steht dort ein kleiner Kohlwald.
Die Leute vom Film beraten sich mit dem Ordnungsamt. Im temporären Parkverbot stehen noch etliche Autos. Das übliche Theater. Irgendwie geschafft erreiche ich die Haustür. Ich lasse noch die Postbotin mit rein, kurzer Schwatz, schönen Tag noch, tschö.