Und Sie sind …?
Mit einem leisen Quietschen öffnet sich das Gartentor. Eine Kohlmeise schnarrt in der Sauerkirsche. Weiter hinten fliegen zwei Ringeltauben knatternd auf. Spatzen machen Remmidemmi. Hallo, Garten, wir sind’s, die Neuen. Es ist das Betreten frisch Befugter. Mit vorsichtigem Schritt geht’s in den Garten hinein. Wir sind uns noch fremd, dieses Stück Grün und wir. Höflich nicken wir einander zu, noch weiß man nicht so recht, was das nun werden soll.
Innerlich werfe ich einen langen Blick auf die Ideen, die ich in den letzten Monaten gesammelt habe, dazu eine Liste mit jeder Menge Ratschläge und Wissensschnipsel, in Büchern und im Internet zusammengeklaubt. Ganz oben auf der Liste finde ich die Notiz, dass man einen Garten ein Jahr lang beobachten solle, bevor Änderungen sinnvoll sind. Worauf einen die wenigsten Ratgeber und Anleitungen für Gartengestaltung vorbereiten: Man übernimmt doch eher selten eine freie Fläche.
Der Garten hier war vor uns da. Er hat uns bisher nicht vermisst. Er hat nicht auf uns gewartet. Wir stehen vor den Vorstellungen anderer von dem, was Garten ist, von Menschen aus über hundert Jahren. Vorher waren hier Kiesgruben. Und davor? Gute Frage. Es würde mir geradezu unhöflich erscheinen, diesem Garten nun ohne viel Tam-Tam meine Pläne überzustülpen.
Ich blicke in den Garten, zerknülle alle Zettel, alle Listen, alle Pläne – und mache mich frei. Einfach mal kommen lassen. Einfach mal anfangen. Einfach mal gucken, was passiert.
Bad Kleingarten im Juni 2023
Denn nun geht es um alles andere.
Für stilles Beobachten ist nicht die rechte Zeit, nicht der rechte Ort. Es gilt, Auflagen zu erfüllen und das zu einem gemeinsam mit der Vorständin festgelegten Termin. Durch die tragischen Umstände übernehmen wir einen Garten, in dem Vieles gemacht werden muss, um den Bestimmungen von Bundeskleingartengesetz und Kölner Gartenordnung wieder zu entsprechen. Dazu zählt ein Rückbau der durch Anbauten ausgeuferten Laube, die Entsiegelung eines Großteils der gepflasterten Fläche, die Entfernung einer Spültoilette und eines einbetonierten Solarmasts.
Für uns war bald klar, dass wir mehr als das Erforderliche entfernen werden. Dazu zählten etwa ein Schotterbeet, eine Sandgrube, eine Fahnenstange und ein Fake-Brunnen. Auch etliche Pflanzen würden wir entfernen, etwa die Forsythien, den Fliederhain mit seinen unzähligen Ausläufern und ungefähr acht Quadratmeter Palmlilien – der Garten ist geprägt durch eine Zeit, in der man sich die Welt in den Garten holte.
Grundsätzlich muss ein Garten immer den geltenden Regeln entsprechen. Gibt es keine besonderen Vorfälle, wird dies aber insbesondere beim Wechsel der Pächter wichtig. Ein Garten wird normalerweise nur neu verpachtet, wenn er in einem vertretbaren Zustand übergeben werden kann. Dazwischen gibt es viele Ausnahmefälle. Einer davon ist unser Garten, in dem viel zu tun ist und der uns auch deshalb anvertraut wird.
Wir sind bereit.
Dass am Ende sehr viel mehr zu tun ist, als wir angenommen hatten – nun ja. Wie so oft im Leben ist es gut, wenn man nicht alles vorher weiß. Es ist sinnvoll, eins nach dem anderen anzugehen und sich nicht vom großen Ganzen schrecken zu lassen. Wir beginnen mit der Sichtung dessen, was da ist. Rasch sammelt sich ein Haufen mit Deko aus verschiedenen Epochen der Gartencenter-Welt, die wir beim Sichten aus dem Garten ziehen. Wir starren die Goldfische an. Sie starren zurück. Die Gartenvögel flattern irritiert umher, nachdem sie den Garten ein halbes Jahr lang für sich hatten. Tut uns leid, Leute. Aber wir sind jetzt öfter hier.
Es ist Anfang Juni. Auf den eher kühlen und nassen Mai werden warme und trockene Monate folgen, ein geradezu aberwitzig arbeitsreicher Sommer, in dem uns die Strohhüte auf dem Kopf festwachsen werden, Muskelkater unser treues Haustier wird – und ich ein Gefühl kennenlernen werde, das mir bis dahin fremd war: Heimweh. Heimweh nach diesem Garten, der nicht lange ein Fremder für uns blieb.
Bad Kleingarten im Sommer 2024
Bad Kleingarten – Von den Anfängen bis zur Gegenwart:
Am Anfang war die Gartensause: Der Weg zum Kleingarten
Ein Baum voller Schuhe und ein Schlüssel in unserer Hand: Ein Kleingarten wird unser