Ich trete vor die Tür und blinzele in die nimmermüde Sonne.
Seit Wochen genügen kurze Hosen und T-Shirt, wenn auch dieser Morgen einigermaßen kühl ist. Das Licht erinnert mich an Sommer in Südfrankreich, sicher auch durch die Platanen in der Weißenburgstraße und die staubigen Wege. Regen ist nicht in Sicht. Soweit der Wetterbericht.
Ein Poller am Rande der Platanenallee ist mit Hortensien geschmückt. Und einem Fahrradschloss ohne Fahrrad. Kunst? Eine Installation? Ein paar Meter weiter werden mir die zehn größten Instagram-Stars Kölns angeboten. Hier kaufen! Och. Nö. Lieber schubse ich mit meinem Finger die baumelnden Samenbeutelchen an einem der Bäume an.
Am Anleger ist allerhand los.
Schon wieder, denke ich, während ich das schreibe. Derselbe Satz findet sich in diesem Sommer öfter. Die Flusskreuzschifffahrt ist nach zwei Pandemiejahren offenbar im Normalbetrieb angekommen und ich sehe weitestgehend gebrechliche Menschen neben monströsen Rollkoffern warten. Die Lage ist angespannt: Weil ein Weg gesperrt ist, stehen die Busse oben an der Rheinuferstraße und zwischen Passagieren mit Gepäck und dem Transport nach Hause liegt eine Treppe. Hilfe wird organisiert, wie ich sehe.
Auf der großen Baustelle wird emsig geschuftet. Ich mag die schwarz verkleidete Fassade mit den kunstvollen Klebestreifen. Von mir aus könnte das ruhig so bleiben. Die Litfaßsäulen sind wieder gut gefüllt. Seitdem sie während der Pandemie über Wochen einfach weiß und leer waren, fallen mir die Plakate doch mehr auf. Mir fehlt immer noch der Mut, vielleicht auch die Lust, Konzerte zu besuchen. Und weiß zugleich, dass das ein Problem ist für die Veranstalter*innen und natürlich für die Künstler*innen. Ich kann mir immer noch nicht wieder vorstellen, mich mit eine Schwung voller maskenloser Menschen in einen Innenraum zu begeben. Einmal die Pest an Bord hat mir gereicht, selbst wenn es möglicherweise nicht bei dem einen Mal bleiben wird. Ein Dilemma.
Tja.
Die Lage bliebt schwierig, in Sachen Pandemie, Klimakrise, Weltlage. Da fällt der Blick umso erfreuter auf das Gewusel auf der Hundewiese, wo man sich um einen gigantischen Irischen Wolfshund schart. Der scheint seine Größe selbst als etwas unangenehm zu empfinden, während um seine Knöchel herum ein Dackel, ein Pudel und ein Irgendetwas wuseln. Linkisch steht das pony-artige Wesen herum und bewegt sich vorsichtig. Ich frage mich, wie viel ein solches Tier wohl am Tag essen muss und ob man statt der handelsüblichen Kackbeutel stabile Plastiksäcke und eine Schüppe mit in den Park nimmt?
Apropos Sack: Die noch jungen Bäume neben dem Weg tragen untenrum Wassersack. Im letzten Dürresommer vor zwei Jahren hat es geholfen. Nötig ist es allemal. Die schwarzäugigen Susannes stehen im Vergleich gut da. Sie sprießen im Schatten der Mauern am preußischen Fort und verbunten hübsch die Gegend.
„Wir wünschen einen schönen Tag.”
Die Kreidezeit ist im vollen Gange, wenngleich doch die heißen Tage manche Kreidekritzelei auf dem allzu heißen Pflaster verhinderten. Oben sehe ich einen roten Sonnenschirm. Da bekomme ich doch gleich gute Laune. Mehr Sonnenschirme für alle! Wie Regenschirme schmücken die pilzartigen, bunten Gebilde auf allerliebste Weise die Stadt. Regenschirme, Frau Holle, bitte, dein Einsatz.
Wie immer hebt sich beim Gehen meine Laune. Gehen. Atmen. Mich innerlich ans Agnesviertel heften. Das Gehen ist ein wenig beschwerlich, weil nach einem Missgeschick der Knöchel schmerzt. Beim Heraushangeln aus dem Fenster in den Innenhof gab es eine schwungvolle Begegnung mit einer Bierbank – nun, ich hoffe, es sah wenigstens unterhaltsam aus. Der Mann blickte eher besorgt bis betreten. Womöglich fühlte es sich also akrobatischer an, als es aussah. Es folgt also eine leichte Lahmheit in der Hinterhand, wie ich mit geschultem Pferdemenschenblick feststellen darf. Kühlen, schonen und dann vorsichtig auf festem Boden anführen, meint meine innere Frau Doktor.
Ich krame noch etwas im Bücherschrank, der stets rege besucht wird. Eine junge Dame ordnet mit flinker Hand auf der anderen Seite. Wie nett, eine inoffizielle Patin! Sie reagiert nur schüchtern auf meinen Gruß und ich lasse sie in Ruhe. Wenn sich da noch jemand verantwortlich fühlt für den Zustand des Bücherschrank, kann uns da nur recht sein. Ich räume eine Handvoll Bücher in schlechtem Zustand aus, ein paar Werbezettel und einen uralten Stadtplan von München. Dafür stelle ich eine Handvoll Aussortiertes aus dem heimischen Bücherregal rein, darunter Geschichte des Sohnes und Die Unschärfe der Welt. Mögen sie wohlwollende Leser*innen finden.
Zum Schluss eine Rose.
Es gibt diese eine Ecke Am Zuckerberg, wo jemand ein Faible für Rosen hat. Fast sind sie so etwas wie heimliche Rosen.
Von den heimlichen Rosen (Christian Morgenstern)
Oh, wer um alle Rosen wüsste,
Die rings in stillen Gärten stehn –
Oh, wer um alle wüsste, müsste
Wie im Rausch durchs Leben gehen.Du brichst hinein mit rauen Sinnen,
Als wie ein Wind in einen Wald –
Und wie ein Duft wehst du von hinnen,
Dir selbst verwandelte Gestalt.Oh, wer um alle Rosen wüsste,
Die rings in stillen Gärten stehn –
Oh, wer um alle wüsste, müsste
Wie im Rausch durchs Leben gehen.
Einige Fundstücke aus den Tiefen des Weltalls aka Internet
Empfehlung für Nature Lovers: Liebevoll gemachter Podcast von der sach- und fachkundigen Petra van Cronenburg mitten aus dem Naturpark der Nordvogesen. (In englischer Sprache)
Noch etwas zum Hören: Unterwegs zu sich selbst – Wie Reisen uns formen (Bayern 2 radiowissen)
Und auch unser Podcast geht weiter, diesmal mit Gast Stephan Schwering: Agnes trifft ABBA