Zi-zi-bäh, zi-zi-bäh!
Unüberhörbar erkunden die Kohlmeisen die Kleingärten. Rudelweise huschen sie in den schon ein wenig grün schimmernden Hecken und Sträuchern, fliegen die Spitzen der Obstbäume an und prüfen die Nistkästen. Das neue Jahr begann für die Natur längst mit der Wintersonnenwende. Sobald die Tage länger werden, erst nur erahnbar, dann deutlich, beginnt das Leben zu pochen: im Boden, in den Zweigen, in den Tieren. Nah am Boden fühlt man noch die Winterruhe, aber der Ton verändert sich. Es ist das unruhige Wälzen am Ende des Schlafes, an der Schwelle zwischen Traum und Erwachen.
Die ersten Frühblüher sind längst am Start, manche Krokusse liegen gar schon erschöpft und ausgelutscht auf dem Boden. Die Hummelköniginnen fliegen, die ersten Bienen, Spinnen krabbeln auf die von der Frühlingssonne erwärmten Steine. Wildkräuter bringen erstes Grün aufs Frischkäsebrot.Die klare, beinahe geruchlose Luft des Winters nimmt einen Hauch erdiger Würze an. Es wird Frühling!
Mit einem Sprung von anderthalb Jahren landen wir in der Gegenwart. Im letzten Blogbeitrag waren wir noch ganz am Anfang, damals, im Juni 2023. Mit jedem Schritt im Garten, mit jedem Handschlag, mit jedem Atemzug kamen wir seitdem einander näher, der Garten und wir. Das erste Jahr war geprägt von intensiver körperlicher Arbeit, als wir alles entfernten, was nicht Garten war: Plastik, Pflaster, Beton, Aufbauten über und unter der Erde. Verschiedene Pflanzen haben wir ersetzt, Strukturen und Elemente aus der Naturgarten-Philosophie gebaut. Akte der Aneignung, wie auch die Benennung unseres Stück Grüns: Bad Kleingarten.
Aber wer eignete sich da eigentlich wen an? In der Zwischenzeit sind wir fest im Garten eingewachsen – oder ist er in uns hineingewachsen? Wir, die Kurparkdirektion, und Bad Kleingarten, seit kurzem von der Stadt Köln Ausgezeichneter Vielfaltsgarten.
Der nunmehr zweite Frühling wird einmal mehr aufregend: In diesem Jahr wird sich zeigen, wie unsere Neuanpflanzungen sich entwickeln und was der Garten mit seinen Bewohnern gut und nützlich findet. Deutlich erkennbar sind nun die verschiedenen Zonen. Da gibt es den Gemüsegarten, den wir in den letzten Wochen um weitere Beete erheblich erweitert haben. Es gibt Naturgartenzonen mit wilden Ecken, Stein- und Totholzhaufen, Totholzhecke, Trockenmauern, einer lockeren Hecke mit heimischen Wildgehölzen, Waldbeet und Beete mit einem wachsenden Anteil heimischer Wildstauden.
Unter der alten Zwetschge sitzen wir auf dem verwildernden Rasen, der nur noch selten gemäht wird und der im letzten Jahr ein blühendes Klee-Meer war. Laube, Gartenhaus, Gewächshaus und Wasserstellen sind unsere Gebiete, Orte der Handwerkskunst des Kurparkdirektors.
Ab ins Gemüsebeet
Das Augenmerk liegt in diesen Wochen auf dem Gemüsegarten. Durch großes Glück konnten wir einen Haufen Kompost im Kleingartenverein abstauben. Nun sind die ersten Aussaaten schon im Boden: Dicke Bohnen, Markerbsen, Möhren, Dill, Radieschen, Schnittsalat, Lauchzwiebeln, Schalotten, Asia-Salate und Kresse. Im Rheinland sind wir in Sachen Frühling ohnehin recht weit, der Klimawandel verschiebt außerdem die Jahreszeiten im phänologischen Kalender. Im Park rings um die Kleingartenanlage blüht die Kornelkirsche und die ersten Blätter zeigen sich.
Die Rosen in unserem Garten habe ich vorige Woche geschnitten. Auch sie treiben kräftig aus. Kürzlich hörte ich in einem Garten-Podcast, dass sich der Rosenschnitt inzwischen vielerorts an der Kornelkirsche und nicht mehr an der (späteren) Forsythienblüte orientiert. Schneiden? Was denn noch? Bis zur Übernahme unseres Gartens waren mir Rosen doch recht gleichgültig. Ich war gern im Rosengarten in unserer Nachbarschaft, aber dort schätzte ich insbesondere das Ensemble insgesamt, weniger die Rose an sich.
Ja nun. Rosen.
Mein Verhältnis zu Rosen hat sich gewandelt: Im Sommer 2023 fanden wir verholzte, verpilzte alte Rosen vor, die offenkundig viele Jahre lang nicht oder schlecht geschnitten worden sind. Nun waren sie in unserer Verwantwortung. Ich grub mich ins Thema Rosenschnitt ein und lernte viel über die verschiedenen Arten. Wie beim Apfelbaum (ein Rosengewächs!) auch ist Nicht-Schneiden von Kulturrosen unterlassene Hilfeleistung, wie mein Referent kürzlich im Seminar Obstbaumschnitt treffend bemerkte.
Wildrosen kommen wie Wildgehölze prima ohne Schnitt klar, aber vom Menschen kultivierte Pflanzen sind auf tatkräftige Hilfe angewiesen, um gesund zu bleiben. Ich schnitt also vorsichtig, zunehmend forscher – und die Rosen reagierten mit freudigem Wuchs und herrlich duftenden Blüten. Inzwischen stehen die Kletterrosen nicht mehr nur auf langen staksigen Beinen, sondern treiben buschiger und von unten neu aus.
In diesem Jahr freue ich mich aber vor allem auf die Wildrosen, die wir vor anderthalb Jahren neu gepflanzt haben: Hundsrose (Rosa canina), Hechtrose (Rosa glauca), Bibernellrose (Rosa pimpinellifolia), Feldrose (Rosa arvensis) und Weinrose (Rosa rubiginosa). Sie blühen am mehrjährigen Holz und ich hoffe auf erste Blüten – und dann Hagebutten!
Doch weiter im Gemüsegarten.
Ich baue Rankhilfen für Bohnen, Erbsen, Wicken, Gurken, Kürbisse, Kapuzinerkresse und was noch alles Unterstützung beim Klettern benötigt. Das macht einfach so viel Freude! Mittlerweile werden die Griffe sicherer. Die ersten Rankhilfen waren noch ziemlich wackelig und mussten ordentlich in den Boden gerammt werden. Die nun gebauten Rankgerüste sind schon sehr viel stabiler und stehen von allein. Vertikales Gärtnern finde ich spitze. Zum einen bringen hohe Rankhilfen zusätzlich Struktur in den Garten, zumal wir viele vertikale Elemente (Pflanzen, Sichtschutzwand) entfernt hatten und der Garten im Winter 23/24 reichlich platt wirkte. Zum anderen erhöht sich die Anbaufläche, wenn man auch Gemüse in die Höhe wachsen lässt.
Unser Garten ist nicht klein, aber das ist kein Grund, Platz zu verschenken.
Apropos Wicken. Und Erbsen.
Dafür hole ich ein bisschen aus. Anfang des Jahres hatte ich eine Operation, die mich den ganzen Januar über ins Haus band. Ich hatte Schwierigkeiten, zu lesen. Also, Romane oder Sachbücher. Die Schmerzmittel quirlten zunächst mein Hirn durch, dann fand sich lange keine Konzentration auf die Geschichten anderer ein. Was aber ging: eine Art Selbststudium in Sachen Gemüseanbau und Mischkultur. Heraus kam eine Beetplanung, deren Folgen sich auf unseren Fensterbänken und unserem Feuerschutzbalkon zeigen: Es steht einfach alles voll mit Anzucht für den Gemüsegarten.
Salate, Chili, Paprika, Auberginen, diverse Kräuter, Kohl, Spinat, Zwiebeln, aber auch einige Wildstauden, deren Saatgut wir auf dem Saatgutfestival in der Volkshochschule Köln ergatterten. Und eben auch Erbsen und Wicken, denn deren köstliche Keime schätzen auch unsere Mäuse im Garten allzu sehr. So zeigte zumindest die Erfahrung im letzten Jahr. Sicherheitshalber ziehe ich also auch welche zuhause vor.
Im Gewächshaus stehen momentan übrigens noch die Überwinterungskurgäste: Yuzu (ein Zitronenbäumchen, der zufällig bei uns landete), Physalis, Stauchbasilikum und Chili. Ob das Überwintern der drei Letztgenannten geglückt ist? Hm. Für mich sehen die ziemlich tot aus. Mal abwarten.
Nun wird es Mitte März den großen Bettenwechsel geben müssen, denn dann kommen die Tomaten in die Anzucht. Ich düse morgens und abends mit der Wassersprühflasche und der Ballonbrause von Topf zu Topf und betüttele den Nachwuchs. Und in den Garten muss ich dann auch, um die Ansaat zu befeuchten. Was für ein herrlicher Stress, der etwas Ablenkung von der bedrückenden Weltlage bietet.
Was wird das Jahr bringen?
Wie so eine Landwirtin hänge ich an der Wettervorhersage, blicke prüfend in den Himmel, fühle nach der Bodentemperatur, rieche an der Erde und schaue nachdenklich zum noch ganz gut gefüllten Regenwassertank. Ich freue mich nach der langen grauen Zeit über die Frühlingssonne. Aber ist wieder zu trocken, ist es nicht? Seit Wochen hat es schon auffallend lange nicht mehr länger geregnet. Ganz gut, den Dürremonitor im Blick zu haben.
Das vergangene Jahr, unser erstes vollständiges Jahr in Bad Kleingarten, war im Gemüsegarten anspruchsvoll. Es war insgesamt sehr nass und immer mal zur Unzeit kühl. Viele Schnecken futterten mit, bis es dann im ganzen Garten grünte und sie ihren Hunger nicht mehr nur an unseren Gemüsepflanzen stillen mussten. Ich finde die Beobachtungen der legendären Biogärtnerin Margarete Langerhorst sehr interessant, dass sich Schnecken dort häufen, wo es an Humus fehlt. Ordentlich Kompost, viel, aber nicht zu dick mulchen, kräftige Jungpflanzen, das scheint ein guter Schneckenschutz zu sein.
Nun, ich bin gespannt. Vielleicht wird es auch wieder ein eher trockenes und heißes Jahr. In aller Vielfalt zu gärtnern ist hierfür eine gute Lösung: Irgendwas wächst immer. Ein Blick zurück über die Schulter aufs vergangene Jahr: so sahen unsere Gemüsebeete 2024 aus.
Bad Kleingarten im Blog
Am Anfang war die Gartensause: Der Weg zum Kleingarten
Bad Kleingarten: Nicht nur gucken, sondern auch anpacken
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Eine Alternative entsteht bei Pixelfed
Wunderbar, von eurem Kurgarten zu lesen! Ich freue mich nun auch sehr auf das neue Gartenjahr, das bei uns ja witterungsbedingt immer etwas später beginnt als bei euch im Rheintal und kann die ersten wärmeren Tage gar nicht erwarten. Hoffentlich wird es nicht wieder ein schlimmes Schneckenjahr… ich habe ja seit 2 Jahren viel umgestellt hin zu einem Garten für alle. Jeder Tigerschnegel wurde gehütet und gepflegt, damit sie sich fortpflanzen. Dennoch werde ich meinen Spaten wieder bereit halten, wenn es noch immer zu viele braune, gefräßige Nacktschnecken werden. Die Tipps mit genug Mulch und Kompost habe ich schon umgesetzt. Ich bin gespannt.
Es ist doch auch einfach aufregend, wie alles werden wird! Ich mag unseren Austausch über den Gartenzaun hinweg sehr. Mögen die Schnecken in diesem Jahr weniger vermehrungsfreudig sein, das wünsche ich uns allen.
Oh wie toll das alles aussieht und ich bin voller Bewunderung für euren Einsatz! Ich schau gerne auch mal wieder vorbei. Schon ein fantastisches Fleckchen Erde, euer Bad Kleingarten.
Es wird ja einfach immer schöner. <3 Wenn es wieder schön grünt und blüht, bin ich sehr für Kaffee, Bütterken und Kuchen der Herbergsmütter in Bad Kleingarten.