Eine große Schleife durch Frankreich!
So dachte ich mir das, als ich im vergangenen Winter begann, unsere Radreise zu planen. Mit der Bahn bis Freiburg, durchs Jura ins Burgund, an die Loire und hoch in die Normandie und vielleicht über Belgien zurück. Dann folgte bekanntermaßen ein globales Ereignis, das Pläne jedweder Art über den Haufen warf. Der Urlaub wurde verschoben und als er dann näher rückte, schwenkten wir zwischenzeitlich um auf eine Tour durch ein weitestgehend unbekanntes Land um: Deutschland. Quasi einmal mitten durch, teilweise am Grünen Band entlang, der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. Abenteuerlich!
Nach einem Probewochenende mit Equipment an der Ahr entlang nach Remagen und über die Ville zurück nach Köln stand allerdings fest: Zu abenteuerlich. Doch Frankreich. Vertrauteres Terrain. Bessere Infrastruktur für zeltende Radreisende. Weniger spießige Campingplätze. Weniger Höhenmeter, weil eine gewisse Person sich noch das Knie lädieren musste. Und möglichst unkomplizierte Rückreisemöglichkeiten nach Hause im Falle eines Falles. In Frankreich kann man nämlich mit dem Rad umstandslos (und kostenlos) in die Regionalzüge. Also ab in den Osten von Frankreich.
Anfang August stiegen wir in die Regionalbahn nach Trier, machten bei der Schwiegermutter in Konz auf ein Bütterken Halt und fuhren an der Mosel entlang los. Drei Wochen lagen vor uns – und Frankreich.
Die Tage auf einer Radreise folgen einer beruhigenden Routine.
Also, so nach und nach entwickelt sich eine Routine. Anfangs ist alles aufregend: Radfahren, Zeltplatz klarmachen, Zelt aufbauen, Taschen auspacken, Essen und Getränke organisieren, Duschen, manchmal ein paar Sachen waschen, Kochen, ins Zelt fallen, ein paar Seiten lesen und schlafen, Kaffee kochen, Frühstück, Spülen, Route besprechen, vielleicht noch etwas lesen, Taschen packen. Losfahren.
Die erste Pause gab es oft nach 20 bis 30 Kilometern: Orangina und Petit Café. Um die Mittagszeit suchten wir einen Supermarkt, um Brot, Käse, Salami, Obst und gekühlte Gazpacho zu kaufen. Das ideale Mittagessen bei manchmal über 40 Grad. Denn uns erwischte eine Hitzewelle, die unsere Reise zwischenzeitlich deutlich verlangsamte. Aber was sollte es: Wir hatten Urlaub. Es ging ums Dortsein und nicht ums Schnell ankommen.
Es brauchte eine Weile, zu dieser Gelassenheit zu finden. Die ersten Tage waren von Anspannung, unklaren Erwartungen und Hineinfinden in einen anderen Rhythmus geprägt. Auch der Körper muss sich erstmal an das tägliche Fahren gewöhnen. Zumal ich vorher einige Wochen Rad-Pause machen musste wegen des vermaledeiten Knies. Ich erinnere mich gut, dass ich zu Beginn der Reise abends wie eine Tote ins Zelt gefallen bin …
Ach, aber alles tritt in den Hintergrund, wenn das Radfahren das Normalste der Welt wird, der Rhythmus des Reisens, das Atmen der Stille und der wechselnden Natur. Weite Flußlandschaften, stille Kanäle, flirrende Hitze über gelbgerösteten Feldern, Weinberge, Kühe auf Wiesen, Schleusen, verschlafene Dörfer, vergangene Pracht. Herrenhäuser, Kathedralen, Städte.
An Mosel, Canal de Vosges und Saône entlang in die Weinberge des Burgund und vor dort aus am Canal du Centre wieder an die Saône, dann an den Doubs und über Belfort nach Mulhouse, mit der Bahn über Straßburg nach Sarreguemines und an der Saar entlang zurück, nun, nein, denn dann ging mein Rad am vorletzten Tag kaputt und wir fuhren von Saarburg mit der Bahn nach Konz. Um dort eine Nacht im Garten der Schwiegermutter zu zelten und am nächsten Tag von Trier aus mit der Regionalbahn zurück nach Trier zu fahren.
Zu dem Zeitpunkt, als wir uns zu dieser Reise entschlossen, schien uns der Osten von Frankreich eine gute Wahl zu sein. Eine strenge Ausgangssperre lag hinter den Franzosen und das Coronavirus hatte gerade dem Osten Frankreichs ziemlich zugesetzt. Unsere Hoffnung war, dass Maskenpflicht, Abstand halten und Hygienemaßnahmen vielleicht ernster genommen werden als in Deutschland. Soviel sei verraten: Nur selten, leider. Glücklicherweise lassen sich die Kontakte auf einer Radreise mit Zelt recht gut einschränken. Man ist bis auf die Einkäufe im Supermarkt und dem Aufsuchen der sanitären Anlagen auf den Campingplätzen immer draußen an der Luft.
An der Luft, auf dem Weg!
In der nächsten Zeit werde ich sporadisch etwas von dieser Reise erzählen, mir selbst, uns hier, Euch. Vom Partyschiff auf der Mosel. Von geschickten Wegelagerern im Pferdepelz. Vom Love Boat. Von Mozzarella-Beuteln auf dem Knie. Von Stieglitzen auf dem Zeltplatz. Von Abkürzungen. Von der Suche nach kühlen Getränken. Vom Essen und Kochen auf Reisen mit Zelt und Rad.
Ja, vielleicht erzähle ich auch Dies und Das zu Radreisen an sich. Im Nachhinein haben wir etwa nochmal alles gefilzt, was wir mitgenommen haben. Da gibt es die schöne Liste „War Quatsch“. Aber auch die mit dem unverzichtbaren Luxus. Vor allem erzähle ich mir das alles selbst, denn selbst wenn sich in diesen Tagen nicht sagen lässt, wann wieder Reisen möglich sind: Ich schmiede Pläne und schicke meine Gedanken auf Reisen … Was man so macht, um angesichts der Weltlage zuversichtlich und bei Mut zu bleiben.
Hier geht es weiter:
Radreise entlang stiller Kanäle und mäandernder Flüsse
Eine Radreise und viele Listen
Mit dem Zelt auf Radreise: Wer in Zelten leben kann, steht sich am besten (Goethe)
Liebe Wiebke,
Mit großem Genuss lese ich gerade beim ersten Cappuccino deinen wunderbaren Artikel. Wie kannst du nur fantastisch schreiben? Ich bin hin und weg…liebe Radel-Grüße aus der Gocherstraße…Evelyn
Oh, ich danke Dir, Evelyn, was für ein schönes Kompliment. Herzliche Grüße, auch an Rolf!
Herzliche Grüße zurück … habe bereits eure Route auf Komoot an Hand deiner Beschreibungen – hier und auf FB – geplant und in unsere Auswahl für den Sommer gepackt.
Das klingt nach guten Plänen! Guck‘ mal in komoot bei Arthur. Er hatte die Routen getrackt und hochgeladen. Erspart Euch nur den Saar-Radweg. Der ist wirklich schlimm geworden durch die nahe Bundesstraße. Ein einziges Verkehrsrauschen nebst Gestank. Schade, denn die Landschaft dort ist so schön.
Ein großartiger Beitrag und herrlich schöne Bilder. Vielen Dank für diesen Einblick.
Ich freue mich, herzlichen Dank fürs Lesen und den freundlichen Kommentar.
Sehr guter Beitrag mit schönen Bildern.