Alles wird besser, wenn es etwas Gutes auf den Tisch gibt.
Allmorgendlich blicke ich auf den Lieferstatus des ersehnten Schalthebels – Ihr erinnert Euch, der Knall. Und dann die Hoffnung aus Bonn. Geduld ist gefragt. Die angenommene Lieferzeit von 2-3 Tagen klingt hübsch, aber sollte das wirklich funktionieren, von Bonn ins sehr ländliche Périgord im Südwesten von Frankreich? Hoffnung und Skepsis halten sich die Waage.
Der Blick in den Lieferstatus und auf die Wochentage wird zur Gewohnheit. Zunächst machen wir also mit dem Auto einige Ausflüge und erkunden etwa Bergerac. Dort finden wir in einem Eiscafé heraus, wie absolut großartig hausgemachtes Nuss-Eis in gut gekühltem Monbazillac munden kann. Monbazillac ist ein goldgelber Süßwein, der nach Akazienhonig, Pfirsichen und etwas Zitrone schmeckt. Spätestens jetzt wurde es uns bewusst: Wir sind kulinarisch im Paradies gelandet. Klar, Frankreich. In diesem Land hat das Essen schlicht eine andere Bedeutung und es geht um weit mehr als darum, satt zu werden. Und so futtern wir uns auf jeder Frankreichreise durch und nehmen, was uns förmlich in den Mund fliegt.
Das Périgord ist Feinschmeckern überdies ein Begriff. Die Region ist berühmt für Trüffel und Gänseleberpastete. Nun ja, Gänseleberpastete ist wirklich nicht meins, ganz unabhängig von den Umständen ihrer Gewinnung. Im Nachhinein wundere ich mich aber, dass wir nicht bei den Männern mit ihren Trüffeln und Steinpilzen auf dem Marktplatz von Monpazier zugeschlagen haben. Ich glaube, es war reine Überforderung, auch, weil wir mit den Herren irgendwie hätten handelseinig werden müssen. Denn das gehörte dazu, das war deutlich zu beobachten. Ich wagte nicht einmal, ein Foto zu machen. Sie wirkten einschüchternd mit ihren erdbehafteten Pilzpranken.
Die Tomaten! Der Käse! Der Wein!
Doch auch ohne Trüffel und Foie Gras lässt es sich trefflich schwelgen. Allein der Käse aus dieser Region und den benachbarten Gegenden ist schlicht fabelhaft. Wie so oft probieren wir uns forsch durch, versäumen aber, irgendetwas zu dokumentieren. Was bedeutet, dass wir bei jedem Frankreichbesuch beinahe von vorn beginnen. Ein paar Sorten „sitzen“, aber bei der Fülle braucht es Notizen. Davon abgesehen hat jede Region ihre eigenen Käsesorten.
Der Wein. Nicht nur der Monbazillac ist eine Erwähnung wert. Zum Essen im Périgord gehört unbedingt auch der Wein. Wir probieren uns auch hier munter durch. Im Glas landen Bergerac und Pécharmant, Montravel und Cabernet franc. Es ist immer wieder interessant, wie einem Käse und Wein die verschiedenen Regionen und Gegenden erschließen können. In Monpazier freunden wir uns mit einer Weinbar an, wo wir uns mit Blick auf den Marktplatz und die Arkadengänge durch die verschiedenen Sorten arbeiten.
Wer lieber Bier und insbesondere Craftbeer trinkt, freut sich vielleicht über die kleinen Brauereien, die sich im Land gründen. Fast überall findet man lokale Biersorten. Und wer keinen Alkohol trinkt, ist in Frankreich ohnehin gut aufgehoben: Neben den üblichen Verdächtigen finden sich von jeher Limonaden und Sirups auf der Getränkekarte, mit denen man sein Wasser mischt. Apropos Wasser: Seit Jahrzehnten erhält man in Lokalen kostenloses Leitungswasser zu jeder Mahlzeit oder zum Kaffee dazu.
Eine Ode auf die französischen Tomaten. Allmählich bekommt man auch in Deutschland alte Sorten und Liebhabersorten, die u.a. wegen ihrer empfindlichen Haut in den Supermärkten nicht auftauchen. Man findet sie auf den Märkten, in Hofläden oder beim Kauf direkt beim Erzeuger. Gerade die Fleischtomaten haben es mir angetan, etwa Ochsenherzen, Berner Rose und die gelb und orange leuchtenden Ananastomaten mit ihrem rosarot geflammten Herz.
Saisonal und regional und oft auch bio
In Monpazier entdecken wir einen Laden, der vorübergehend und ausschließlich lokale Erzeugnisse in kleinen Mengen aus ansässigen Gärten anbietet. Und so wandern auch andere Gemüsesorten auf unsere Teller: rosafarbene Schalotten, grüne Bohnen, am Morgen geerntete Salate und junge Zucchini, göttliche Pfirsiche, knackfrischer Lauch und herrlicher Knoblauch. Was wir dort nicht finden, gibt es im Bioladen oder in einem der kleinen, gutsortierten Supermärkte.
Der örtliche Metzger registriert mein Interesse und erzählt mir schon beim zweiten Besuch lang und breit alles mögliche von den Kühen, deren Fleisch er mir dann empfiehlt. Die Sorten, welcher Bauer, wo und auf welchen Weiden – ich verstehe leider nur einen Bruchteil und jongliere lächelnd und fuchtelnd mit meinem langsam wachsenden französischen Wortschatz. Und so gibt’s dann auch Steak Frites auf der Terrasse unserer Ferienunterkunft mit Blick auf die Kräuterwiese und das eifrige Taubenschwänzchen. (Nein, nein, das ist kein peinlicher Kosename für den Mann gegenüber am Tisch. Das Taubenschwänzchen ist dieses hier.)
Zwischendurch …
… wandert der Blick auf den Lieferstatus des Schalthebels. Ab und zu wird an den Grenzen der Länder und Départments ein Paket übergeben, lese ich. Stets plöppt im Kopf die bange Frage auf, ob die Lieferung gelingen würde. Ob der Bote den Ort und das Haus finden würde. Ob wir zuhause sein würden! Wir hatten zwar den etwas kauzigen Nachbarn Bescheid gegeben, aber die Verständigung lief nur mittelgut, wiewohl stets herzlich.
Tatsächlich finden die meisten Ausflüge erst später statt – NACHHER. Denn eines Tages, höre ich einen Kastenwagen fröhlich hupend heranbrausen und unweit des Hauses halten. So schnell war ich selten aus dem Haus und ich laufe dem Postboten froh gestikulierend und irgendwas jubelnd entgegen. Beinahe wäre ich ihm um den Hals gefallen. Der nette Postbote wirkt erstaunlich gefasst bei diesem Empfang und hält mir strahlend die Sendung entgegen. Juhu, das Paket ist da und der Schalthebel ist darin!
Am nächsten Tag packen wir mein Einhorn, das nun wieder ein Zweihorn werden sollte, aufs Auto und fahren zur ausgeguckten Fahrradwerkstatt nach Bergerac. Und obwohl ich schon so oft von den vielen Briten im Périgord erzählt habe: Mit Englisch ist es schwer, unser Französisch spärlich und doch klappt die Verständigung mit dem Fahrradmenschen auch mithilfe einschlägiger Übersetzungs-Apps ganz gut. Schon am nächsten Tag werden wir mein Fahrrad abholen können.
Und dann geht es los mit dem Rad durchs Périgord! Oder würde es doch anders kommen?
Davon erzähle ich in der Fortsetzung.
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Während der rheinische Winter die Welt in müdes Grau taucht, mache ich im Blog eine Reise durch Raum und Zeit: Im Sommer 2021 ging es nach Frankreich. Eine Reise, die nun erzählt wird.
Teil 1: Ein fataler Knall und der Gesang der Frösche an der Loire
Teil 2: Ankommen im Périgord noir und Hoffnung fürs Fahrrad
Teil 3: Frankreich liegt uns auf der Zunge und ich fliege einem Postboten in die Arme
Teil 4: Von Wehrkirchen, Zisterzienserabteien und Eichenwäldern: Mit dem Rad unterwegs im Périgord
Teil 5: Französische Gartenkunst und eine unerhörte Begegnung
Teil 6: Auf dem Fernradweg La Vélomaritime in die deutsch-französische Geschichte
Teil 7: Ein Abdruck im Gras und unterwegs im Land der Sch’tis
P.S. Waren wir eigentlich mal auswärts essen? Ich erinnere mich nicht, dass wir außer in Cafés und für Eis irgendwo eingekehrt sind. Einmal gab es eine Trinkhilfe in der Weinbar zum Wein. Die Heimbürokantine brummt auch auf Reisen, gerade wenn es ein solches Angebot an frischen Lebensmitteln gibt wie im Périgord – und Kräuter direkt vorm Haus. Außerdem beruhigt Kochen die Nerven, was nicht das Schlechteste war während des großen Wartens …
Heimbürokantine? Bitte sehr, das Buch.
Darin schreibe ich übrigens auch über den Kauf direkt beim Erzeuger und die Marktschwärmer – #bauertothepeople ist ursprünglich eine Initiative aus Frankreich.