Ich trete vor die Tür und blicke in ein Dackelgesicht. Ein gutes Omen für diesen Gang ins Heimbüro. Als Erstes mache ich meine Jacke wieder auf. Man könnte meinen, es sei bereits Frühling. Meinen auch Hasel und diverse Vögel. Heute morgen sehe ich außergewöhnlich viel Federgetier: Meisen, Rotkehlchen, Kleiber, Dompfaff. Am vergangenen Wochenende noch war die Stunde der Wintervögel, die Zählaktion, zu der der NABU regelmäßig aufruft. Ich war gestern im Bergischen unterwegs, wo es recht still war. Nun, heute morgen zumindest in den Seitenstraßen und im Park zwitscherte es munter.
Kurz werde ich blind, weil jemand Sofa und Hocker mit einem Sitzmuster des Todes miteinander auf die Straße gestellt hatte. Sperrmülltag. Immer wieder eine wunderliche Angelegenheit. Wenige Schritte weiter ein Bausatz für einen Tannenbaum. Nun.
Am Rhein vergass ein Flußkreuzfahrtschiff ein Seil.
Auf den Wegen am Strom entlang fällt mir die zunehmende Warnwestivierung der Rad fahrenden und laufenden Bevölkerung auf. Während die Fenster der Autos immer kleiner und dunkler werden, flackernde Bildschirme und Werbesäulen entlang der Straßen Aufmerksamkeit saugen, Halt bei Ampelrot nur mehr ein Serviervorschlag ist, muss man sich als nicht-motorisierter Mensch was einfallen lassen, um nicht umgemäht zu werden.
Ach, aber nein, ich will doch nicht gleich schon am Morgen schlechte Laune bekommen. Viel schöner ist: Es gab am Rheinufer eine Tierbegegnung! Sportpudeldame Greta führte ihr Herrchen aus und die Beiden trabten mir entgegen. Ein kleiner Schwatz, kurz Greta links und rechts ihres Regenmantels durchkrabbeln, weiter geht’s.
Das Dackelomen erfüllt sich
Obgleich die Hundewiese leer ist, nur am Wegesrand ein karammelfarbener Hundestrupp zum Leidwesen seines Inhabers jeden einzelnen Grashalm abschnüffeln muss, treffe ich auf der anderen Seite des Parks die bunte Hundetruppe auf dem Weg zum morgendlichen Umhertoben: Der Spackel-Terrier ist dabei, Freund Bobtail mit Bällchen und andere Hundetiere, die ich schon länger nicht sah. Ich werfe der Abordnung ein paar Morgengrüße in den Weg und wende meinen Schritt gen Heimbüro.
Unterwegs wechsele ich einen Morgengruß mit dem Viertelsflaneur, der auf seinem Balkon einen Kaffee einnimmt.
Kurz vor der Haustür läuft mir kleines Gemüse vor die Füße. Kaum kniehoch, fährt man Roller. Soweit man das Fahren nennen kann: Der Roller rollt unbehelligt zwischen den kurzen Beinen, die links und rechts energisch weiterstapfen. Amüsierte Blicke aller Passant:innen. Eines Tages, bestimmt, kommt die junge Dame dahinter.
Von wegen Hopsen!
Als ich übrigens die Fußballltore der Ballsportgruppen im Gebüsch lauern sehe, fällt mir ein, dass ich kürzlich ob meines süffisanten Tons zu dieser Angelegenheit gerügt wurde. Also bitte, hier hopst niemand einem Ball hinterher (falleri, fallera). Sondern hier geht man selbstverständlich mit konzentrierter Leidenschaft einer Sportart nach, die durch eine geschickte Kombination von Einfachheit in den Regeln und Komplexität in der Taktik besticht. Bitteschön.
Aus der Reihe: Abschiedstournee von Dingen
Nach und nach lasse ich gehortete Dinge los. Heute müssen gehen: Index Farbe. Er stammt noch aus einer anderen Epoche meines Lebens. Während ich nochmal reinblättere, drängt sich mir die Interessanz von Fraben, ihrer Kombinationen je nach Epoche, Künstler:in oder Aussage auf. Aber ich werde ihn schlicht nicht benutzen und lasse ihn frei.
Sigrid Bauschingers Biographie über Else Lasker-Schüler habe ich gern gelesen. Nicht komplett, meine ich mich zu erinnern. Lieber las ich dann doch die Texte und Gedichte von Else Lasker-Schüler selbst. Immer noch.
Max Goldt. Irgendwie ist es vorbei. Oder doch nicht? Okay Mutter, ich mache die Aschenbechergymnastik in der Mittagsmaschine. Damals bei Zweitausendeins erstanden. Als ich meine Ausbildung zur Buchhändlerin machte, lernte ich ihn bei einer Lesung kennen. Dass er imstande war, problemlos große Säle zu füllen, fand ich damals ganz erstaunlich. Ich schlage aufs Geratewohl Die Mitgeschleppten im Badezimmer auf und es geht ums Gäste haben. Lesezeichen rein. Das Buch wandert als Klolektüre aufs stille Örtchen. Vielleicht doch ganz interessant, um dem Zeitgeist des ausgehenden letzten Jahrhunderts nachzuspüren.
Musikalisch trenne ich mich heute von Mickey 3D. Das Kölner Label Le Pop begann Anfang 2002, Sampler mit französischer Musik zu veröffentlichen. Großartig, kundig und mit viel Liebe zusammengestellte Compilations, die meine Liebe zur französischen Musik jenseits der zur Genüge durchgenudelten Chansonklassiker bis heute zu befeuern. Mickey 3D war mit Si j’étais toi auf Le Pop 2. Die CD von Mickey 3D indes höre ich nicht mehr. Adieu!
Bildungsschni-, schnap-, schnipsel
Nachdem ich zögerte, Dietrich Schwanitz‘ Bildung weitestgehend ungelesen in die Freiheit zu entlassen, Was wirklich schön ist, ist die Einleitung, in der Schwanitz seine Auswahl erklärt und welche Bedeutung er den Themen beimisst. Aus heutiger Sicht interessant ist der konsequent westliche und männliche Blick. Da hat sich einiges getan. Da muss sich aber vor allem auch noch einiges tun. Zumal Schwanitz feststellt, „daß sich das zivilisatorische Niveau bei wachsendem Einfluß der Frauen in der Geschichte immer gehoben hat”. Frauen indes muss man im Buch selbst suchen.
Insgesamt bemerkenswert ist der kulturpessimistische Ton. „Bildung ist zu einem Schattenreich geworden.” Oh, und schon weiß ich wieder, warum ich das Buch nie gelesen habe. Der Einstieg ist ein Abgesang auf das Bildungssystem und die Schulen. „Kurzum, die Schulen sind in einem so jämmerlichen Zustand, daß das elend völlig unbekannt bleibt, weil sein Ausmaß unglaublich ist.” Ratzepüh. Ich blättere weiter, lande bei den alten Griechen. Die launige Geschichte von Zeus‘ sexuellen Abenteuern. Ach, wisst Ihr was? Das Buch darf gehen und ich verabschiede mich umgehend von jedem schlechten Gewissen, weil ich es nie gelesen habe. Bildung geht auch anders.