Am 7./8. Mai 2011 fand auf dem mediacampus frankfurt zum zweiten Mal das Buchcamp statt, das Barcamp der Buchbranche. Veranstaltet wurde es wie im vergangenen Jahr vom Forum Zukunft des Börsenvereins des deutschen Buchhandels.
Eine Lobhudelei
Zunächst ein großes Lob für die hervorragende Organisation durch das Forum Zukunft! Die gutgelaunte Atmosphäre und der strahlende Sonnenschein ließ manchen Buchcamper auf dem schönen mediacampus zwischen den Sessions vor der Libresso-Bar, auf der Dachterrasse oder unter Sonnenschirmen vor der der frisch renovierten Mensa glücklich aufseufzen.
Session (lat. sessio von sedere, sitzen)
Am Buchcamp teilgenommen haben 110 Mitarbeiter aus Verlagen, Verleger, Buchhändler, Freischaffende der Buchbranche, Berater und Dienstleister. Das Themenspektrum der Sessions war breit: Von Transmedia Storytelling, Crowdfunding, Gamification, Apps, Contentveredelung, Social Media bis Arbeitsmodellen der Zukunft.
Das Buch an sich
Wobei mir erst im Nachhinein auffiel, dass mir eine Session zur Zukunfts des Buches selbst, also dem physisch greifbaren, blätterbaren Gegenstand, zur Abrundung ganz gut gefallen hätte. Vielleicht beglückt uns Karin Schmidt-Friderichs vom Verlag Hermann Schmidt im nächsten Jahr mit einem ihrer flammenden Vorträge für mit Herzblut gemachte Bücher? (Notiz an mich: Im Zweifelsfall selber Session zum Thema anbieten.)
Visionen zulassen …
war dem diesjährigen Buchcamp als Motto vorangestellt. Ich habe einige Kommentare gelesen, in denen die fehlenden Visionen beklagt werden (Frank Krings und meier-meint.de). Mich erinnerte das an die Kritik an der letzten re:publica, auf der Neues vermisst wurde. Ohne dass konkretisiert werden konnte, was genau denn damit gemeint ist. Wer soll diese Visionen liefern? Wir sind täglich im Nachrichtenstrom des Neuen – was also ist hier mit Visionen gemeint?
Meinem Eindruck nach bringt der Wunsch nach Neuem und Visionen derzeit wenig. Natürlich lechzen wir alle immer wieder nach neuen Sensationen und aufsehenerregenden Ideen. Und es ist auch großartig, wenn wir damit von einer Veranstaltung zurückkehren und darüber berichten können.
Somewhere over the rainbow
Wir übersehen allerdings meiner Meinung dabei, dass wir in hübschen Parallelwelten leben. Wir füttern uns täglich über Twitter und Facebook gegenseitig mit Informationen und führen heiße Diskussionen über Fragen und Themen, die uns bewegen. Für den Großteil der Buchbranche sind jedoch viele dieser Informationen, Fragen und Themen neu oder immer noch fremd, die Wahrnehmung „unserer“ Themen eine gänzlich andere.
Daher halte ich persönlich es immer noch für wichtig, uns über den Stand der Dinge zu verständigen. Um bessere Argumente in der Hand zu haben und mehr Klarheit zu erlangen. Selbstverständlich ohne Visionen und Ideen mühsam zu unterdrücken – wer welche hat, findet auf dem Buchcamp einen geeigneten Rahmen, diese vorzustellen.
In the navy, yes, you can sail the seven seas
Aus meiner Sicht dient das Buchcamp dazu, wie bereits im letzten Jahr, ähnlich gestrickte oder interessierte Leute zusammenzubringen. Und einen Ort sowie die Zeit zu haben, live & in Farbe miteinander zu diskutieren und voneinander zu lernen.
Das Buchcamp war quasi ein Klassentreffen von Büchermenschen. Immer wieder schön, vertraute Gesichter wiederzusehen und andere Menschen, bisher vielleicht höchstens bekannt aus dem Internet, „in echt“ kennenzulernen. Lebhafte Kontakte und Treffen schaffen einen vertrauensvollen Freiraum. Nicht nur, um ungeniert aus Sessions oder vom Mittagessen zu twittern, sondern auch, um etwas auszuprobieren.
Prinzip Buch: wtf!?
Gerade die Session Prinzip Buch: wtf!?, die Wenke Richter und ich zusammen anboten, war ein Experiment. In überwältigend großer Runde haben wir sehr offen über schwer fassbare Fragen diskutiert: Was hat es mit diesem Buch in Prinzip Buch, Zukunft Buch, Buchmesse oder Buchcamp auf sich? Worin liegt das Selbstverständnis der Buchbranche – und damit auch mit unsere eigenes Selbstverständnis? Was bedeutet dieses Buch als Geschäftsmodell, zumal wir auf dem Buchcamp in einigen Sessions über Gamification, Transmedia Stroytelling oder Apps sprachen.
Wenn ich mir nun im Nachhinein das Echo auf diese Session durchlese, scheinen wir einen Nerv getroffen zu haben (Buchreport, O-Töne Börsenblatt Online). Für mich ziehe ich den Schluss, dass es sich lohnt, Fragen, die man sich heimlich stellt, einfach mal öffentlich zur Diskussion zu stellen. Und das Buchcamp ist ein guter Ort dafür.
Und weiter?
Nun gilt es nicht nur, die entstandenen Ideen und Gedanken weiterzuverfolgen. Wie etwa den Erfahrungsaustausch der Büchermenschen, die Facebook-Seiten betreuen und vor ähnlichen Fragen stehen (siehe die Session Verlage auf Facebook – Wir sind drin! Und jetzt? von Carsten Raimann und mir). Sondern auch einen Weg zu finden, wie Austausch und Verständnis mit „den anderen“ der Buchbranche verbessert werden können. Und einen Austausch mit anderen Branchen zu schaffen, die ähnliche Umbrüche miterleben wie wir (Medien, Kultur).
Kleine Anregungen für das Buchcamp 2012
Gut lesbare Namensbuttons mit Twitter-Namen (und Avatar?) und ein Twibbon für die Profilbilder bei Twitter und Facebook.
Ich teste jetzt mal, ob alles funktioniert, damit fortan auch munter kommentiert werden kann.
Liebe Wibke, danke Dir für den guten Überblick und Eindruck vom BuchCamp. Eine Sache aus Deinem Text möchte ich auch noch einmal von unserer Seite aus unterstreichen: Wir waren gerade so davon begeistert, dass in diesem Jahr – im Vergleich zum letzten Jahr – ganz konkret diskutiert und eben gerade weniger luftig über zumeist Abstraktes gesprochen wurde. Und wenn es um Abstrakteres ging, wie etwa bei Deiner Session zum Prinzip Buch, dann wurde doch immer wieder versucht, den Gefühlen, Stimmungen und Gedanken ganz konkret auf den Grund zu gehen. Das habe ich als sehr wohltuend und motivierend empfunden; es hat für mich wesentlich zu der optimitischen Atmosphäre unter den Teilnehmern beigetragen, die ich manchmal bei anderen Branchenveranstaltungen, auf denen auch gerne mal ins Blaue lameniert und ängstlich geredet wird, vermisse.
Danke für die Einladung zum „flammenden“ Vortrag!!! Gerne komme ich – Bertram hat sich bis dahin sicher wieder herstellerische Raffinessen ausgedacht, die mich so begeistern, dass ich damit gerne anstecke!!! Herzlich Karin Schmidt-Friderichs